0939 - Wenn der Satan tötet...
übernächsten Nacht wollte er dann zuschlagen und seine Rache vollenden, um sich anschließend voll und ganz in den Dienst des Satans stellen zu können, wie er es schon einmal getan hatte.
Carlos hatte es geahnt. Die Welt steckte noch immer voller Sünde. Sie hatte sich nicht verändert.
Die Menschen waren gleichgeblieben. Es gab nicht die Reinen, die Perfekten, nach denen er sich so sehnte. Auch der Satan war perfekt, er hatte keine Fehler. Was er tat, war gut, in seinem Sinne natürlich, und er war so herrlich kompromißlos.
Der Gedanke daran wühlte ihn innerlich auf. Seine Erregung nahm zu. Er merkte, wie das Blut in seinen Kopf stieg, wie es sich erwärmte und zu Lava wurde, die seinen Körper durchfloß. So zumindest dachte er, und er merkte auch, daß etwas mit seinen Händen geschah.
Feuchtigkeit drang dort hervor.
Blut…
Er schluckte. Ausgerechnet jetzt überkam es ihn wieder, aber er konnte nichts dagegen tun. Es war eben sein Schicksal, mit diesem Stigma gezeichnet zu sein, und er merkte auch, wie sich sein Innerstes verkrampfte. Nein, nicht jetzt. Nicht zu diesem Zeitpunkt, wo eine fremde Person neben ihm saß.
Er starrte nach vorn durch die Scheibe, auf der noch einige Fliegen klebten. Die Hände hielt er zu Fäusten geballt. Er wollte nicht, daß sein Blut hervorquoll und den Sitz befleckte. Das konnte er sich jetzt nicht leisten. Es wäre ihm natürlich egal gewesen, die Frau zu töten, nur wollte er nicht unbedingt noch eine Spur hinterlassen, denn er mußte praktisch denken.
»Sie sind aber schweigsam«, sagte Christine und lachte. »Beten Sie vielleicht?«
Aus dem linken Augenwinkel hatte er ihren Blick gespürt. Er selbst schaute nach vorn. »Das kann sein.«
»Und für wen beten Sie?«
»Nun, es gibt viel zu tun.«
»Die Welt ist schlecht, wie?« Sie fragte es lachend und wollte ihn provozieren.
Carlos hob nur die Schultern. Das Blut, das verdammte Blut! Es klebte auf seinen Handflächen.
Bald würde er es irgendwo abwischen müssen. Hoffentlich schaffte er dies, ohne dabei beobachtet zu werden.
»Und weil die Welt so schlecht ist, muß man manchmal schlechter sein als die anderen, um überleben und gut durchkommen zu können«, sprach die Frau weiter.
»Kann sein.«
Sie lachte ihn an und berührte mit den Fingerspitzen flüchtig seinen Arm. »Damit haben Sie nichts zu tun, wie?«
»So ist es.«
»Egal, ich muß so denken. Mein Job ist hart, ich will mich durchsetzen, damit es mir auch später gutgeht.« Sie sprach weiter wie ein nie versiegender Fluß, aber Carlos hörte kaum zu, denn die Worte glitten an seinen Ohren entlang, als wären sie nicht vorhanden.
Ihn kümmerte auch nicht die Landschaft Nordfrankreichs. Er wollte nur so schnell wie möglich Amiens erreichen, aber zuvor mußte er das Blut loswerden.
Die Autobahn hatten sie noch nicht erreicht. Erst hinter Amiens würde die Frau sie benutzen. Sie konnten eigentlich überall stoppen. Vor sich sah Carlos einen Bahndamm. Sie mußten ihn unterqueren, durch einen schmalen Tunnel fahren. Er war nicht lang, das andere Ende war gut zu sehen, und der Geistliche fragte Christine, ob sie gleich mal anhalten würde.
»Warum?«
»Auch Priester sind Menschen«, erklärte er etwas verlegen.
Die Blonde lachte überdreht auf und preßte dann die Hand gegen den Mund. »Sie müssen mal, wie?«
»Ja.«
»Alles klar.«
Der BMW fuhr durch den Tunnel. Gegenverkehr herrschte keiner. Und nach dem Durchlaß nahm die Straße an Breite wieder zu, so daß sie rechts ranfahren konnten.
»Es dauerte nicht lange«, sagte Carlos, als er sich losschnallte und die Tür öffnete. Dabei hatte er sehr darauf geachtet, keine Blutspuren zu hinterlassen, was ihm ziemlich schwergefallen war.
Er übersprang den Graben und kletterte die Böschung hoch, die so dicht bewachsen war, daß er eine gute Deckung bekam.
Der Wind packte ihn. Er hörte das Pfeifen eines Zugs, auch das Geräusch, als er heranfuhr, und er duckte sich, als der Zug schräg über ihm vorbeirauschte.
In einer Bodenmulde blieb der Priester stehen, bückte sich und schaute zuerst auf seine Hände und das Blut, das wie roter Pudding so dick geworden war.
Er wischte es im Gras ab. Wenn er jetzt etwas anfaßte, würde er zumindest keine Spuren hinterlassen. Dann ging er wieder zurück. Er schaute auf das Verdeck des Fahrzeugs, als er den Hang hinabrutschte und wieder einstieg.
»So, das ist…« Seine Worte stockten, denn ihm war der ungewöhnlich starre Blick der Frau aufgefallen,
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