094 - Das Mädchen auf dem Teufelsacker
wechselte, dachte Coco über seine Schilderung nach.
Links- und Rechtshänder, Blut und Milch - Symbole für Weiße und Schwarze Magie. In der Bretagne hatte sie miterlebt, wie Unga, der Steinzeitmensch, einen plastischen Traum gehabt und sich und sie visionär in die ferne Vergangenheit zurückgeführt hatte - zu dem Jahr 4500 vor Christi Geburt, als Hermon im 3226. Jahr seiner Herrschaft über Ys stand; zu der Zeit des Megalithikums, in der aus Linkshändern hervorgegangene Dämonen versuchten, die Toten zu ihren Werkzeugen zu machen.
„Ich verstehe", sagte sie endlich.
Abi Flindt blickte sie fragend an. „Du willst damit sagen, der von Makselv beschriebene Fremde ist der Dämonenkiller?"
„Lassen wir das mal beiseite. Es wird sich ja herausstellen, wenn wir das Haus betreten, in dem er wohnen soll. Der alte Lappe hat gewiß die Wahrheit gesprochen. Unter dem Einfluß der Hypnose konnte er gar nicht anders. Ich habe seinen Angaben zunächst einmal etwas für uns sehr Wesentliches entnommen: nämlich wie wir uns gegen den Fluch der Dämonen wappnen können."
Coco nahm ein Stück Kreide zur Hand und zeichnete das Muster von Peer Makselvs Hand ab. Sie benutzte für die Skizze einen Notizblock aus ihrem Gepäck.
Hideyoshi Hojo lächelte plötzlich feinsinnig. „Wie gut, daß ich mich auf dem Flugplatz von Kvalöy nach einer Art Souvenir umgesehen habe."
Er öffnete seine Reisetasche und zog ein Fläschchen hervor.
„Rentiermilch", sagte Abi verblüfft. „Ich habe überhaupt nicht bemerkt, wie du sie gekauft hast. Was willst du damit? Sie trinken?"
„Jetzt nicht mehr."
„Ich sehe, auch du hast begriffen", versetzte Coco. „Reicht mir nun eure Hände! Die rechten!"
Sie wartete, bis Abi Flindt und der Japaner vor ihr standen, dann ergriff sie die Hand des blonden Dänen. Yoshi nahm ihr den Notizblock ab; sie konnte somit das von Makselvs Haut kopierte Muster recht schnell übertragen.
Die gleiche Prozedur nahm sie auch bei Yoshi vor. Dann malte der Japaner ihr die ornamenthaften Symbole auf die rechte Hand. Sie öffneten das Fläschchen und begannen, die bekritzelten Hände mit Rentiermilch einzusalben.
Die ganze Zeit über hielt sich der alte Lappe im Hintergrund und kicherte scheinbar vergnügt und unbekümmert vor sich hin.
„Jetzt binden wir uns die linken Hände auf dem Rücken fest", sagte Coco. „Aber wählen wir vorher die Waffen aus, die wir außerdem noch mitnehmen."
Sie beugten sich über ihre Taschen und wählten aus: Signalpistolen, die an der Luft entflammbare Feuerkugeln verschossen, Amulette sowie zwei kurzklingige Haumesser, die sie der im Castillo Basajaun untergebrachten Sammlung entnommen hatten. Dann halfen sie sich gegenseitig, die linken Hände mit Gürteln und Strickenden an ihren Körpern festzubinden. Yoshi' und Abi nahmen den betrunkenen Lappen in die Mitte, und gemeinsam drangen alle vier in die dichte Nebelschicht ein. Die Wolke strahlte Feuchtigkeit und Wärme aus, besaß jedoch keinerlei Geruch. Coco und die Freunde begannen zu schwitzen. Kein Schnee knirschte mehr unter ihrem Schuhwerk. Sie gingen über weiches, hier und dort mit Gras bewachsenes Erdreich. Um sie herrschte Stille. Totenstille.
„Da!" sagte Abi Flindt. „Etwas Dunkles liegt vor uns."
Die Umrisse eines aus wuchtigen Steinen errichteten Hauses schoben sich aus der Nebelbank. Die Fassade, auf die sie zusteuerten, verfügte über eine offenstehende Tür und zwei düstere, gähnende Fensterlöcher. Das Bild rief Assoziationen wach.
„Das ist das Wirtshaus", erklärte Peer Makselv lallend. „Danke, danke, Freunde. Ihr seid wirklich zu gütig. Wenn Gynt, der alte Halsabschneider, nicht in der Nähe ist, heimse ich eine weitere Flasche ein."
„Wohnt er allein in dem Bau?" wollte Abi wissen.
„Jetzt ja. Seine Alte ist vor zwei Tagen weggelaufen und wurde nicht wiedergesehen."
Vor der offenen Eingangstür blieben sie stehen.
Abi Flindt hob seine bemalte Rechte. „Ist es sicher, daß wir damit mehr ausrichten als mit den Haumessern?"
„Bedenken wir folgendes", sagte der Japaner. „Es ist anzunehmen, daß wir es, wenn schon nicht direkt mit Luguri, mit einem regionalen Dämon zu tun haben, der noch nie mit der christlichen Religion in Berührung kam und sie nicht fürchten gelernt hat, folglich auf Kruzifixe und Weihwasser oder geweihte Haumesser wie die unseren kaum ansprechen wird."
„Und wenn wir doch Untoten begegnen?"
„Dann haben die Waffen schon einen Sinn."
Coco wollte als erste
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