094 - Das Mädchen auf dem Teufelsacker
auf. „Nein, du sagst es ihm nicht, Arne!"
„Aber warum denn nicht?"
„Du machst dich zum Verräter!"
„Schandmaul!" tadelte Arnes Frau ihren Gatten.
Abi Flindt musterte die Frau mit einem vernichtenden Blick. „Ich habe euch gewarnt, alle fünf. Zwingt mich nicht, Dinge zu tun, die wir später alle bereuen! Reizt mich nicht!"
Arnes Bruder versetzte rasch: „Es ist doch ein offenes Geheimnis, daß der Noaide in der Nähe der Kapellenruine und des ungeweihten Friedhofes lebt. Am Außenrand der Steilküste gibt es einen Eingang zu seiner Grotte …"
„Idiot!" nannte ihn seine Frau. „Wir sprechen uns noch."
Laeibe wandte sich an Coco. „Ich kenne den Platz, von dem die Rede ist. Ich - ich würde euch dorthin führen, wenn ihr Ole helft. Ich tue wirklich alles, was ihr von mir verlangt."
„Ich danke dir", erwiderte Coco. „Gibt es hier im Haus irgendwo Milch?"
„Wie bitte?"
„Du hast schon richtig verstanden. Schau bitte nach und bring mir soviel du davon auftreiben kannst!"
Laeibe lief in die Küche hinüber. Man hörte, wie sie ein Behältnis öffnete, herumhantierte, etwas scheppernd absetzte, eine Tür zuwarf. Dann kam sie zurückgetrippelt und händigte Coco eine dickwandige Flasche aus. Darin befand sich schätzungsweise ein Liter Milch.
„Mehr ist nicht da. Es ist Rentiermilch."
Abi Flindt taxierte die Flasche mit einem argwöhnischen Blick. „Augenblick! Darf ich mal schauen, Coco?"
Er ließ sich den Behälter geben, nahm ein Glas und schenkte ein wenig Milch ein. Entschlossen setzte er das Glas an die Lippen und trank. Im nächsten Moment spuckte er den Schluck Flüssigkeit prustend wieder aus.
„Entschuldigt - aber das Zeug ist sauer wie Essig."
„So etwas!" sagte Laeibe verwundert. „Dabei stand die Flasche im Kühlschrank."
Yoshi begutachtete die Flasche Milch ebenfalls.
„Auch hier hat die Macht des Bösen ihre Wirkung bewiesen", versetzte er leise. „Es ist fraglich, ob die Milch noch für unsere Zwecke tauglich ist."
Coco Zamis holte ein Stück Kreide hervor. „Das Risiko müssen wir in Kauf nehmen. Laeibe, gib mir deine rechte Hand!"
Sie zückte den Notizblock und zeichnete das magische Muster sorgfältig ab. Das Mädchen ließ die Prozedur widerspruchslos über sich ergehen. Zum Abschluß wusch Coco Laeibes Hand mit Rentiermilch. Yoshi half Coco, die linke Hand auf dem Rücken des Mädchens festzubinden.
Abi sagte es zu den Lillehammers: „Laßt euch auch das Muster aufmalen! Es wird euch gegen das Böse schützen, wenn es in euch fahren will."
„Nein!" gab Arnes Frau schrill zurück. „Nein, nein! Lieber lasse ich mich umbringen. Ihr wollt uns mit euerm tödlichen Zauber besudeln. Ihr könnt uns nicht zwingen."
„Mein Gott, denkt doch, was ihr wollt", sagte Abi abfällig. „Dann eben nicht."
Auch die andere Frau, der Alte und die Gebrüder Lillehammer weigerten sich, mit den Kreidesymbolen versehen und mit Milch gesalbt zu werden. Die Freunde hätten Gewalt anwenden können, doch darauf verzichteten sie. Während die Lillehammers konsterniert dahockten und stumm vor sich hin blickten, verließen Coco, Abi und Yoshi, die ihre linken Hände wie der gefesselt hatten, mit Laeibe das Haus.
Es war dunkel geworden. Man konnte kaum die Hand vor Augen sehen, geschweige denn irgendein Gebäude der näheren Umgebung.
Abi Flindt machte eine verdrießliche Miene. „Wie sollen wir uns da bloß zurechtfinden?"
Laeibe Vestre lächelte. „Ihr habt doch mich. Keine Angst, ich zeige euch schon den richtigen Weg. Ich bin in Tingvoll geboren und aufgewachsen und würde zum Versteck des Noaiden finden, auch wenn ich blind wäre."
Coco schritt neben dem Mädchen her. Die beiden Männer folgten.
Yoshi blieb plötzlich stehen und wies mit der ausgestreckten rechten Hand in die Dunkelheit. „Dort rechts! Ich habe etwas gesehen."
„Wen?" fragte Coco.
„Vielleicht Luguri. Ich bin aber nicht sicher."
„Das ist man bei dem Schurken nie", kommentierte der Däne.
Coco und der Japaner steuerten auf die Stelle zu, aber als sie an dem Punkt angelangt waren, zeichnete sich nichts als die düstere Fassade eines Hauses vor ihnen ab. Aus dem Inneren hallten die Beschwörungen mehrerer Menschen.
„Pech!" sagte Yoshi. „Man könnte fast meinen, ich sei einer Halluzination aufgesessen. Aber ich bin sicher, den Dämonen gesichtet zu haben. Er will uns zum Narren halten, verunsichern."
„Kehren wir zu den anderen zurück."
Coco war unruhig. Nicht unbegründet, wie sich wenig
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