094 - Das Mädchen auf dem Teufelsacker
Beschreibungen, die ihnen Arne Lillehammer geliefert hatte, und Coco sprach den Namen aus.
„Holger Kringsja!"
„Er muß es sein", pflichtete Yoshi ihr bei. „Er ist dabei, sein Blut an die magischen Löcher zu verlieren. Helfen wir ihm!"
Kringsja stand aufrecht da, zuckte und bewegte sich jedoch wie unter Peitschenhieben. Verzweifelt schrie er auf und fuhr sich mit den Händen über den Leib. Es sah so aus, als müßte er mit sich selbst einen Ringkampf austragen.
Coco und Yoshi liefen zu ihm. Aus der Nähe konnten sie erkennen, wie seine Haut sich auf blies und fortwährend bewegte, wie es in seinem Gesicht arbeitete.
„Erbarmen!" stieß er gurgelnd hervor.
Der Japaner berührte ihn mit der rechten Hand, so daß die magischen Kreidesymbole und die Rentiermilch Kontakt mit dem Bedauernswerten bekamen. Coco zog ein Amulett hervor und hielt es vor des Mannes Gesicht. Eindringlich sprach sie die Beschwörungsformeln.
„Nein!" schrie der Kaufmann.
„Du mußt hart sein", sagte Yoshi. „Du wirst es schaffen."
„Ich - ich verbrenne!"
„Es geht vorüber. Tu, was ich dir sage! Lege die linke Hand auf den Rücken und…"
Kringsja stieß ihn gegen die Brust.
Yoshi taumelte ein Stück zurück.
Mit einem Stoß riß Kringsja Coco das Amulett aus den Händen, dann wankte er zur Seite, auf die Näpfchen zu.
Er rang nach Luft, stöhnte und lamentierte.
„Ich koche!" klagte er. „Feuer! Löscht mich!"
Unter seiner Haut brodelte es nun regelrecht.
Yoshi unternahm einen weiteren Vorstoß, um das Gräßliche zu verhindern. Gewaltsam wollte er Kringsja die linke Hand auf den Rücken pressen, wollte ihn aus der unmittelbaren Gefahrenzone ziehen. Sie rangen nahe der Hauswand miteinander. Der Japaner vermochte das Gemurmel im Inneren des Gebäudes zu hören. Die Bewohner lockten Kringsja, und ihre Beschwörungen gingen bisweilen in unartikulierte keuchende und blubbernde Laute über.
Kringsja schrie, schlug Yoshi mit der Faust gegen den Kopf und kam wieder frei.
Yoshi lag auf dem Gehsteig vor dem Haus. Plötzlich bemerkte auch er ein schmerzhaftes Ziehen, dann ein Brennen in seinem Körper. Gerade noch rechtzeitig brachte er die präparierte Faust hoch und sprach die Formel für den Gegenzauber.
Coco half ihm, sich aus dem tödlichen Bereich zu entfernen.
„Es hat keinen Zweck", sagte sie erschüttert. „Wir kriegen ihn nicht mehr. Wir verlieren ihn an die Macht des Bösen."
Kringsjas Lippen öffneten sich zu einem tierhaften Stöhnen. Bebend fuhren seine Hände an den Jacken- und Hemdaufschlag, rissen daran. Stoff zerfetzte. Seine Brust kam zum Vorschein. Unter der Haut brodelte und gärte es.
Coco mußte sich abwenden. Der Anblick war zu schaurig.
Vor der Mauer brach der große Mann zusammen. Hideyoshi Hojo verfolgte, wie sich die sieben Näpfchen füllten, wie Kringsja sein Leben auf erbärmlichste Weise aushauchte.
Bedrückt gingen sie weiter.
„Daß wir nichts tun können", sagte Coco.
„Erst, wenn wir die Wurzel des Übels in den Griff bekommen, lassen sich auch Erfolge absehen", entgegnete Yoshi. „Nicht verbittert werden, Coco! Laß uns weiter nach dem Haus des alten betrunkenen Lappen forschen."
Minuten darauf machte Coco eine Beobachtung, die ihr den Atem verschlug. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, und sie fühlte, wie etwas eisig über ihren Rücken fuhr.
Sie blieb stehen und umklammerte mit der freien rechten Hand Yoshis Arm. „Da! Sieh doch nur!"
In schwer zu schätzender Entfernung - es konnte sich um zehn, aber auch um zwanzig Meter handeln - brannte eine kleine Laterne an der Ecke eines Gebäudes. Die Gestalt unter der Laterne war nur verschwommen zu sehen.
„Luguri", sagte Yoshi.
Sie gingen weiter, zögernd, und Coco fiel es schwer, die Fassung zu behalten. War dies jetzt endlich die offene Konfrontation mit dem Dämon? Stand die Entscheidung bevor? Was tat der Schreckliche dort?
Sieben Löcher waren in der Hausmauer. Coco und Yoshi schoben sich immer näher. Sie konnten Luguris schaurige Physiognomie eingehend studieren: seine Glatze, seine Froschaugen, sein freiliegendes Gebiß. Er schien sie noch nicht bemerkt zu haben. Teuflisch war sein Grinsen, und seine Krallenfinger spannten sich ein wenig, als wollte er eine Beute packen und zermalmen.
Coco hielt Yoshi an und bedeutete ihn, sein Augenmerk auf die Löcher zu richten. Wirklich - sie leerten sich, sehr langsam zwar, jedoch war es deutlich sichtbar. Und Luguri öffnete ein wenig den grausigen Mund und schmatzte
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