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0941 - Das unheile London

0941 - Das unheile London

Titel: 0941 - Das unheile London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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zugestoßen sein könnte wie seinen Eltern.
    Und damit kann es auch mir passieren. Mir und Maya. Womöglich stecken wir mittendrin in der Tragödie, die wir nicht überleben werden.
    War das nicht verrückt? Er hatte das Übernatürliche stets verleugnet - vielleicht sogar als Schutzreflex gegen das merkwürdige Schicksal, das ihm Vater und Mutter genommen hatte.
    Doch jetzt, heute Nacht, schmolz aller Widerstand in ihm dahin wie Butter in der Sonne.
    Plötzlich wusste er, es gab Dinge, die wider jedes Schulwissen existierten. Die Buchstaben, dreidimensional, leuchtend und dahinfliegend, als wären sie von einem eigenen Verstand beseelt, belegten dies mehr als nachhaltig.
    Sam konnte nicht mehr den Blick davon nehmen. Nicht mehr hinter sich blicken, wo er Maya wusste. Sie war ihm gefolgt. Er wünschte, sie hätte es nicht getan, weil er um sie fürchtete. Aber er war auch nicht in der Lage, ihr eine Warnung zuzurufen.
    Da war etwas anderes, das seine volle Aufmerksamkeit verlangte. Er spürte es wie den dumpfen Herzschlag eines lebendig unter sechs Yards Erde begrabenen Menschen. Sam entwickelte seismische Fähigkeiten. Irgendwo vor ihm war etwas. Ein Puls, dessen Sogkraft ihn unwiderstehlich anzog. Die schwebenden Glyphen - das war nur die Markierung, die ihm verhieß: Hier bin ich! Komm! Komm näher! Befreie mich!
    Er fürchtete, den Verstand zu verlieren - oder längst verloren zu haben.
    Von fern hörte er Mayas Stimme, war sich aber nicht sicher. Nur noch wenige Schritte, dann war er bei der Stelle, über der die Buchstabenwolke schwebte.
    Und dann kniete er davor nieder, auf dem harten, ungehobelten Bretterboden des Speichers.
    Die Truhe sah nicht wertvoller aus als Dutzende andere Kistchen und Schachteln, die sich im Umkreis türmten. Sie mochte alt sein, aber sie war weder kunstvoll gearbeitet noch aus wertvollen Materialien gefertigt: in Öl getränktes Eichenholz, dazu Nieten und Eisenbeschläge, die vielerorts mit einer Rostkruste wie mit einem Geschwür überzogen waren.
    Erstaunlicherweise erinnerte sich Sam an die nur schemelgroße Truhe. Schon als Kind hatte er sie bemerkt und einige Male versucht, sie zu öffnen. Der dazugehörige Schlüssel war verloren gegangen. Und mit roher Gewalt oder dem Fingerspitzengefühl eines Kindes, das sich nur auf Angelesenes berufen konnte, wenn es um seine »Safe-Knacker-Talente« ging, war dem Schloss nicht beizukommen gewesen. Irgendwann hatte Sam es aufgegeben.
    Doch als er jetzt die Hände rechts und links an den Deckel legte, spürte er sofort, dass er keinen Widerstand zu fürchten hatte.
    Die Truhe war offen.
    Warum und seit wann - es war gleichgültig. Nur das Resultat zählte.
    Er hob den Deckel und…
    ... die gerade noch in der Luft hängenden, der Schwerkraft und jedem anderen Gesetz der Physik trotzenden Buchstaben ...
    ... stürzten zu ihm herab.
    Sam zuckte zurück. Der Deckel krachte laut wie ein Gewehrschuss wieder nach unten.
    Von hinten legten sich Hände auf Sams Schultern.
    Maya.
    »Hier spukt's! Grundgütiger, Sam! Was war das?«
    Nach dem Verschwinden der Glyphen war es stockfinster auf dem Dachboden. Bis Sam sich erhob, seine Benommenheit abschüttelte und zu der Stelle tastete, wo er Hebel war. Er brauchte ihn nur umzulegen, und schon flackerte summend wie ein verletztes Insekt eine Neonröhre auf.
    Kaltes weißes Licht ergoss sich über den Dachboden und beraubte ihn jedes Zaubers.
    Ernüchtert kehrte Sam zu Maya zurück, die immer noch vor der Truhe stand.
    »Ich weiß es nicht«, murmelte er. »Wenn ich es wüsste, würde ich es dir sagen. Verlass dich drauf. Ich hab das nicht nur fantasiert, oder? Du hast es auch gesehen. Die Buchstaben, die mich hier herauf lockten… sie waren real.«
    »Das würde ich beeiden, ja.« Sie drängte sich an ihn, als suche sie seinen Schutz.
    Er lächelte hilflos. »Das ist verrückt. Wenn das wirklich ein Spuk war…«
    Sie zeigte auf die Truhe. »Lass sie uns öffnen. Vielleicht ist etwas Wertvolles drin. Ein Schatz. Irgendeinen Grund muss das Spektakel schließlich gehabt haben. Und wenn es uns etwas Böses gewollt hätte - hätte es dazu mehr als genug Gelegenheit gehabt, oder?«
    Er war sich dessen nicht so sicher.
    »Lass uns lieber verschwinden«, sagte er. »Wir kommen morgen wieder. Bei Tag.«
    »Du meinst, dann ist es weniger riskant?«
    »So ist es doch immer.«
    »Wo?«
    »In den Filmen und Romanen.«
    »Wir sind aber in keinem Film oder Roman. Das hier ist die Wirklichkeit. Und ich verwette

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