Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0941 - Das unheile London

0941 - Das unheile London

Titel: 0941 - Das unheile London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
Vom Netzwerk:
Ihre Haarfarbe und Frisur erinnerten an Camilla, die Frau von Prinz Charles - nicht einmal das konnte sie verschandeln. Obwohl sichtlich übernächtigt, empfing sie ihren Besuch mit ansteckender Fröhlichkeit.
    »Ich wusste nicht, dass Professoren so gut aussehen können! Die Bilder im Internet werden Ihnen nicht gerecht. Treten Sie in. Mister Columbo ebenfalls.«
    Hogarth strich automatisch mit den Händen über seinen zerknitterten Trenchcoat. Er schien noch zu überlegen, ob er das Ganze als freundlichen Empfang verbuchen sollte. Schließlich entschied er sich dafür. Sein Humor war britisch, aber immerhin rudimentär vorhanden. »Danke«, sagte er und schob sich hinter Zamorra vorbei ins Innere des Häuschens.
    Es roch nach frisch aufgebrühtem Tee und selbst hergestelltem Gebäck, das gerade erst aus der Backröhre gekommen zu sein schien.
    »Sind sie's?«, rief eine Männerstimme aus dem angrenzenden Zimmer.
    Zamorra erkannte sie sofort wieder - ebenso wie die der jungen Lady.
    Maya lenkte sie in das gemütliche Wohnzimmer mit dem obligatorischen Kamin, den hochlehnigen Sesseln, den Lackmöbeln und den gestickten Deckchen.
    Zamorra und Hogarth grüßten Sam Tyler und nahmen in jeweils einem der Sessel Platz, während es sich die Bewohner des Hauses auf einem Zweisitzer-Sofa bequem machten.
    »Ist er das?«, fragte Zamorra ohne Umschweife und blickte auf die Papierrolle, die neben einem Gebäckteller lag.
    Sam Tyler war etwa gleich alt wie seine Frau. Er hatte kantige Züge und einen wuchtigen Körperbau, ohne dick zu wirken. Seine Wangen waren leicht gerötet, die Aufregung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Aber Zamorra entdeckte keine Spur mehr von dem, worüber Maya Tyler am Telefon berichtet hatte - von den stadtplanartigen Linien auf dem Gesicht ihres Mannes.
    »Ja«, sagten Sam und Maya unisono.
    Maya hatte die Hände im Schoss gefaltet, Sam blinzelte wie ein nervöser Pennäler.
    Zamorra nahm das leicht vergilbte Papier und rollte es auseinander.
    Mit Feder und Tinte stand da zu lesen:
    Mein lieber Twist. Ich fürchte fast und fühle, dass uns ein schwerer Abschied bevorsteht. Vergiss nie, dass ich in Gedanken bei dir bin, wo immer du auch gerade sein magst. Mein Geist ist bei dir, meine Kraft mit dir. Lass dich nicht vom rechten Weg abbringen. Ich wünsche dir Gottes Segen und ein erfülltes Leben. Vergiss nie, wir waren… nein, wir sind Freunde. Und Freundschaft vergeht nie.
    Dein dich schätzender und ewig liebender
    Arsenius Hall
    »Wer könnte damit gemeint sein?«, fragte Zamorra, an beide Tylers gewandt.
    »Mein Urgroßvater«, antwortete Sam nach kurzem Zögern. »Vom Urenkel bis zum Sohn nannten ihn alle so. Ich kannte ihn noch. Er starb, als ich sieben war. Er wurde fast hundert. Neun Tage vor seinem Hundertsten starb er. Ich war damals sehr traurig. Ich mochte ihn. Er war kein hinfälliger Greis, sondern ging bis zuletzt ohne Stock und erzählte uns Kindern, meinen beiden Schwestern und mir, die herrlichsten Geschichten aus seinem Leben.«
    »Erwähnte er irgendwann einmal einen Arsenius Hall?«
    Sam Tyler zuckte bedauernd mit den Achseln. »Das weiß ich wirklich nicht mehr. Solche Einzelheiten sind mir total entfallen.«
    Hogarth, der sich betont zurückhielt, nickte, als könne er das gut nachvollziehen.
    Zamorra entschied sich, Kraft zu opfern, um dem Brief noch einmal zu entlocken, was er in der Nacht offenbart und womit er die Tylers dazu gebracht hatte, ins Loiretal zu telefonieren.
    Er knöpfte sein Hemd so weit auf, dass er das Amulett herausziehen konnte. Er bemerkte die Überraschung auf den Gesichtern des Ehepaares und sagte: »Erschrecken Sie nicht. Es wird nicht so, wie vergangene Nacht - zumindest werde ich mich darum bemühen, es in Grenzen zu halten -, aber werde versuchen, es noch einmal umzustrukturieren.«
    Maya nickte tapfer. Sam lächelte dünn.
    Zamorra streifte das Amulett samt Kette über den Kopf ab und legte es wie einen Briefbeschwerer auf das vorher auf dem Tisch abgelegte Dokument; das Papier konnte sich nicht mehr zusammenrollen.
    Dann aktivierte er die Silberscheibe mit den Tierkreiszeichen. Insgeheim hoffte er, dass das, was er Maya gerade versprochen hatte, auch wirklich funktionierte. Früher, vor der Reaktivierung von Merlins Stern durch Asmodis, hatte das jedenfalls immer funktioniert.
    Doch er konzentrierte sich jetzt auf das, was die Silberscheibe tun sollte.
    Sie reagierte auf Anhieb und ergoss etwas wie flüssigen Schatten über den Brief, dessen

Weitere Kostenlose Bücher