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0941 - Das unheile London

0941 - Das unheile London

Titel: 0941 - Das unheile London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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Buchstaben aufglühten und sich vom Untergrund zu lösen schienen. Manche verdoppelten und verdreifachten sich, andere tauschten nur die Stelle und sanken wieder auf den Bogen zurück. Als nach kurzer Zeit Ruhe einkehrte, hob Zamorra das Amulett auf, nahm es wieder an sich und hielt die Rolle mit beiden Händen auseinander.
    Die Nachricht entsprach jetzt dem, was Maya Tyler ihm aus dem Gedächtnis heraus wiedergegeben hatte.
    Dieser Zustand hielt ein, zwei Minuten an, dann wirbelten die Buchstaben wieder an ihre ursprüngliche Position und die kopierten verflüchtigten sich, als hätte es sie nie gegeben.
    Hogarth war ebenso beeindruckt wie das Ehepaar Tyler.
    »Und nun?«, fragte er.
    Zamorra hatte das Amulett noch nicht wieder übergestreift, sondern auf seinem Schoss abgelegt. Erleichtert dachte er bei sich, dass diese Funktion ihm auch nicht viel Kraft genommen hatte. Er nahm es in eine Hand und sagte: »Und nun möchte ich mir Ihr Gesicht ansehen, Mister Tyler, wenn Sie gestatten. Zuvor aber noch eine Frage: Haben Sie eine Kamera greifbar, Mrs. Tyler?«
    ***
    Der silbrige Schatten ergoss sich über Sam Tylers Gesicht und verwandelte es in eine wächserne Maske. Wachs, dunkel marmoriert, wie von mit Quecksilber gefüllten Äderchen.
    Die Grundrisse wechselten unablässig. Hogarth bediente die Digitalkamera, die Maya Tyler aus Schublade gekramt hatte. Blitz um Blitz zuckte. Sam Tyler blickte wie versteinert in das Objektiv. Zamorra hatte ihn darum gebeten, möglichst keinen Muskel zu bewegen.
    »War es so auch letzte Nacht?«, fragte er, ohne in seiner Konzentration nachzulassen und das Silber des Amuletts dorthin zu lenken, wo das magische Licht offen legte, was mit bloßem Auge und ohne dieses Hilfsmittel zuvor nicht - mehr - zu sehen gewesen war.
    »Ja«, sagte Maya Tyler. »So war es. Außerdem litt Sam unter höllischen Schmerzen. Er faselte etwas von… von Toren, die sich nach überall hin öffnen.«
    Zamorras Besorgnis nahm sekündlich zu.
    Schließlich beendete er die Gesichterschau.
    Das Amulett als Quell magischen Lichts versiegte. Das Gefühl, unablässig Kraft in die Silberscheibe hineinzupumpen, schwand ebenfalls. Zamorra atmete tief durch.
    »Strengt es Sie an?«, fragte Maya aufmerksam.
    Er nickte, wollte keine genauere Erklärung abgeben. Zumal er verblüfft feststellte, dass die Linien auf Sams Gesicht auch nach dem Erlöschen des Amuletts geblieben waren. Sie traten nicht sehr dominant hervor, waren aber da.
    »Bleibt das jetzt?«, stellte Maya auch schon die Frage, die Zamorra befürchtet hatte.
    »Ich hoffe nicht, und ich gehe auch nicht davon aus.«
    »Wovon redet ihr?« Sam Tyler wurde hellhörig.
    Seine Frau besorgte ihm einen Handspiegel, und er blickte hinein. »Scheiße«, fluchte er. »Das muss wieder verschwinden!«
    »Wenn es morgen noch da ist«, sagte Zamorra, »entferne ich es damit.« Er klopfte auf sein Amulett.
    Sam Tyler schien wenig beruhigt. Offenbar betrachtete er es als Zamorras Schuld, dass die Linien, die in der Nacht nur kurz da gewesen waren, jetzt wieder sein Gesicht prägten.
    Er wollte das Gesicht in den Händen vergraben, aber Hogarth bat: »Warten Sie. Noch ein Foto bitte.«
    Tyler starrte wütend in die Kamera.
    Hogarth drückte ab und ließ den Fotoapparat in seinem Trenchcoat verschwinden.
    »Was wird jetzt mit uns?«, fragte Maya Tyler.
    »Ich schlage vor, Sie suchen sich für die nächsten Tage eine andere Bleibe«, sagte Zamorra. »Haben Sie Freunde oder Verwandte außerhalb Londons?«
    Sam Tyler dachte kurz nach. »Eine meiner Schwestern lebt in Southend-on-Sea, keine Dreiviertelstunde von hier entfernt.«
    »Haben Sie ein gutes Verhältnis?«
    »Ja.«
    »Dann rufen Sie an, fragen Sie, ob sie spontan bei ihr unterkommen können.«
    »Wie lange?«
    »Wenigstens die nächsten paar Tage.«
    »Und was soll ich ihr als Begründung sagen? Dass ganz London angeblich den Bach runtergeht?«
    »Wenn schon, dann den Fluss - die Themse«, warf Hogarth ein.
    Zu Zamorras Erstaunen lächelten beide Tylers sogar über den müden Scherz.
    Er kannte sie erst eine gute Stunde, aber sie lagen ihm bereits am Herzen. »Ich empfehle es ungern«, sagte er, »aber lügen Sie. Damit gehen Sie allem aus dem Weg. Nehmen Sie etwas Profanes wie einen Wasserrohrbruch. Sagen Sie, die Handwerker stellen die Bude auf den Kopf, und entweder sie ziehen für die Dauer der Reparatur, die auf eine knappe Woche veranschlagt wurde, in ein teures Hotel, das Sie sich eigentlich nicht leisten können

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