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0941 - Das unheile London

0941 - Das unheile London

Titel: 0941 - Das unheile London
Autoren: Adrian Doyle
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einmal einsetzen musste. Und tatsächlich erhob sich der gerade noch Bewegungslose in hölzerner, puppenhafter Manier und steuerte, ohne dass sich seine Augen öffneten, mit ausgestreckten Armen auf Zamorra zu.
    Ihm blieb kein Spielraum mehr. Er aktivierte die Eigeninitiativschaltung des Amuletts - nach der es eine akute Gefahr selbsttätig bewerten und Gegenmaßnahmen treffen konnte.
    Die Reaktion der Silberscheibe ließ nicht lange auf sich warten.
    Ein Blitz fuhr aus ihr heraus, traf den von einem lebendigen Netz umhüllten Angreifer… und ließ ihn aufglühen.
    Etwas rieselte flockig zu Boden.
    Etwas, das nie wieder irgendjemandem gefährlich werden würde.
    Asche.
    Tote, graue Asche.
    ***
    »Ich bin untröstlich. Ich hatte mir meine Mitarbeit und Unterstützung anders vorgestellt«, sagte Zamorra geraume Zeit später, als er wieder in seiner Alltagskluft im Büro des Generals saß. Bei ihm waren Hogarth und Dr. Stevenson, der als Erster gegen die Selbstvorwürfe rebellierte.
    »Unsinn! Norah verdankt Ihnen ihr Leben - wahrscheinlich sogar alle, die sich im medizinischen Trakt aufhielten. Wer weiß, was dieses… Ding noch angerichtet hätte. Ein erfolgreicher Ausbruch, und die Gefahr wäre schwerlich noch in den Griff zu bekommen gewesen!« Er blickte temperamentvoll in die Runde und fügte hinzu: »Meine Meinung!«
    Auch Churchill schien es so zu sehen. Hogarth sowieso.
    Aber Zamorra hatte gelernt, nie zu vergessen, wer Täter und wer Opfer war.
    Hier hatte sich beides vermischt - aber der ursprüngliche Mensch, der von einer wohl dämonisch zu nennenden Pestvariante befallen worden war, musste immer noch als bedauernswertes Opfer betrachtet werden.
    Vielleicht hätte ihm geholfen werden können, wenn sich die Gegenseite nicht zu einer Verzweiflungstat hätte hinreißen lassen.
    »Was mag das gewesen sein - was seinen Körper verließ und… umschloss?«, fragte Hogarth und blickte zu Dr. Stevenson. »Wurde der Kranke nicht komplett durchleuchtet? Sein Blut…«
    »… wies bis auf die erkannten Pestindikatoren keine Auffälligkeit auf. Nichts so Außergewöhnliches jedenfalls, Sie können gerne Einblick in die Akten nehmen. Auch die Röntgenbilder verrieten darüber nicht das Geringste.«
    Zamorra glaubte ihm.
    Das, womit sie es hier zu tun hatten, war mit den üblichen Verfahrensweisen wahrscheinlich nicht diagnostizierbar.
    »Wir können momentan nur hoffen, dass der leider namenlos Gebliebene ein Einzelfall war - aber verlassen würde ich mich darauf nur ungern.«
    »Natürlich nicht«, stimmte ihm Churchill entschieden bei. »Was hier geschehen ist, wurde bereits an die höchsten Stellen weitergegeben. Ich bin froh, dass der Detective…« Er nickte Hogarth zu. »… Sie ins Spiel brachte, Professor. Ich frage jetzt auch nicht, was das für ein Gegenstand ist, mit dem sie den Angreifer zur Strecke brachten. Ich will irgendwann auch wieder in meine Welt, meinen Alltag zurückkehren können. Sie verstehen, was ich meine?«
    »Ich verstehe«, erwiderte Zamorra, blieb aber aufrichtig, »doch ich fürchte, das, was Sie sich als ›Normalität‹ zurückersehnen, hat es nie gegeben. Dämonische Kräfte sind seit Urzeiten auf der Erde aktiv. Meist verschleiern sie ihr Tun jedoch, und dass es hier so offen zutage tritt, sollte uns schon zu denken geben. Mit dem Sieg über diesen einen Träger des Bösen ist es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht getan. Seien Sie gewappnet. Es könnte gerade mal der Auftakt, der Startschuss zu etwas viel Gewaltigerem und vielleicht nicht mehr zu Kontrollierenden sein.« Der General wirkte nicht ängstlich, aber betroffen. »Verstehe«, sagte er schließlich. »Ich werde alles, was von meiner Seite aus möglich ist, dazu beitragen, dass es dazu nicht kommt. Insbesondere werde ich dafür sorgen, dass von nun an die Kommunikation zwischen den Exekutiven dieses Landes und Ihnen, Mister Hogarth, Monsieur Zamorra, nicht mehr abreißt. Sie haben bewiesen, dass Sie das Zünglein an der Waage sein können, Professor. Vorerst wünsche ich Ihnen alles Gute!«
    6.
    Vergangenheit, 1871
    »Sir! Bitte unterlassen Sie das Rauchen, Sie wissen, dass es verboten ist. Die anderen Fahrgäste fühlen sich belästigt. Die Luft im Waggon darf nicht verpestet werden. Sobald wir wieder am Tageslicht sind, können Sie so viele Zigarren genießen, wie Sie nur wollen.«
    Der Bedienstete der Metropolitan Railway blickte streng zu dem sitzenden Arthur Finsborough herunter. Finsborough blies ihm Rauch ins
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