0941 - Echsenauge
illustre Bilder aufwiesen. Allesamt hatten sie mit dem Bad oder den Freuden des Badens zu tun.
Glücklicherweise hatte er sofort eine freie Kabine erwischt. Das war nicht immer der Fall, aber dieser Tag schien sich zu seinem persönlichen Glückstag zu entwickeln.
Er seifte sich ein. Sehr sorgfältig tat er das, dazu stellte er sich hin, um auch keine Stelle des Körpers auszulassen. Dabei hatte er stets das Bild vor Augen, die Erinnerung aus der Peep-Show-Kabine. Er konnte den Anblick einfach nicht löschen, auch wenn er es gewollt hätte. Es war einfach zu prägend gewesen. Oft genug hatte er die Show besucht, aber nie eine Tänzerin erlebt wie Deliah.
Tanzen und Sex!
Sie hatte, sie konnte beides, und er wartete schon darauf, daß ihre Hände über seinen Körper strichen und nicht mehr die seinen, wie es hier in der Wanne der Fall war.
Dampf hüllte ihn ein. Das Wasser war ziemlich heiß. Er hatte es noch nachlaufen lassen, trotzdem fror er und ließ sich schließlich wieder in die Wanne hineinsinken.
Er spülte den Schaum ab, schaute den Wellen zu, die sich langsam verliefen, streckte sich in der Wanne, hob die Beine an und betrachtete versonnen seine Zehen, wobei er sich vorzustellen versuchte, wie wohl Deliahs Füße aussahen.
Sicherlich besser und gepflegter als seine. Noch einmal tauchte er unter, so verschwand auch der letzte Rest des Shampoos aus seinen Haaren.
An den Rändern der Wanne stützte er sich ab und kam wieder in die Höhe. Er stieg heraus, trat auf die Matte und griff nach dem bereitliegenden Badetuch.
Nebenan konnte ein Gast seine Stimme nicht zurückhalten. Er sang Opernarien, und zwar so schlecht, daß sich Kurts Magen zusammenzog. Seine Laune war zu gut, um dem anderen Bescheid zu geben, damit er mit seiner Singerei endlich aufhörte.
Er trocknete sich ab. Den kleinen Koffer mit der frischen Kleidung hatte er mit in die Kabine genommen. Nachdem er seine Haare gefönt hatte, zog er die blaue Jeans an, das weiße Hemd dazu und eine ebenfalls blaue Weste. Ein gemustertes Jackett vervollständigte die Kleidung. Die Schuhe waren geputzt. Die getragenen Klamotten verschwanden im Koffer, den er zuklappte und schließlich verschloß. Latow war zufrieden, als er sich im Spiegel betrachtete, nachdem er auch seine Haare gekämmt hatte.
So konnte er sich sehen lassen.
Eine Uhrzeit hatte er mit Deliah nicht ausgemacht. Ihm reichte das Wissen, daß sie auf ihn wartete, alles andere war uninteressant. Die Badeanstalt war in einem alten Gebäude untergebracht und beherbergte noch andere medizinische Einrichtungen. Zu diesem Bau gehörte auch ein Innenhof, der als Parkplatz diente. Diesen Vorteil gab es nicht oft in London. Man brauchte vor allen Dingen nichts zu bezahlen.
Draußen war es frisch. Latow fror zwar nicht, aber warm war ihm nicht. Ihn fröstelte, als er über den düsteren Innenhof ging, wobei er sich mit den Armen selbst umschlugen hielt, als wollte er sich wärmen.
Aus den hohen Fenstern fiel das Licht und bildete über seinem Kopf eine Brücke. Der Wagen stand da, wo er ihn abgestellt hatte. Nur waren jetzt noch zahlreiche Fahrzeuge hinzugekommen. Kurt mußte schon zweimal rangieren, bevor er sich aus der Lücke schieben konnte. Er rollte durch die Einfahrt hinaus ins Leben, wie es ihm vorkam, denn der Verkehr floß ununterbrochen. Zu dieser abendlichen Zeit glich es schon einem Kunststück, eine Lücke zu finden, doch auch das schaffte er, und er reihte sich in den Strom der Fahrzeuge.
Die Freude tobte in ihm. Oder hätte eigentlich toben müssen, aber da war noch etwas anderes, das ihn plötzlich bedrückte und eigentlich immer dagewesen war, sich aber wie ein mächtiger Schatten weit in den Hintergrund seiner Psyche zurückgezogen hatte.
Nun drang es allmählich hervor.
Es war das Bild der Frau, der veränderten Frau, denn er dachte an die Hand und an das Auge.
Hatte er es gesehen? War es tatsächlich ein Auge in einer mit grünen Schuppen bedeckten Hand gewesen? Oder war ihm da ein großer Irrtum unterlaufen?
Kurt Latow wußte es nicht. Er wollte auch daran nicht denken. Es war einfach zu absurd für ihn, zu irreal. Das paßte überhaupt nicht in sein Weltbild, und doch hatte er es gesehen.
Unmöglich!
Das gab es nicht.
Eine so schöne Frau, die plötzlich eine echsenähnliche Hand bekam. So etwas war unmöglich. Das mußte er sich eingebildet haben.
Wenn ja, warum?
Er forschte nach den Gründen, während er fuhr. Der Verkehr kam ihm vor wie etwas, das weit an ihm
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