0941 - Echsenauge
Düstern löste sich eine kichernde Gestalt - Deliah. Sie war nicht mehr nackt und hatte sich einen bräunlichen Umhang übergestreift, der ihr bis zu den Oberschenkeln reichte und mehr die Form eines Ponchos hatte. Der Gegenstand, den sie zielsicher geworfen hatte, lag neben dem Bewußtlosen. Er erinnerte an eine unförmige Keule, deren Seite nicht abgeschleift worden waren.
Deliah hatte gewonnen, sie war die Siegerin. Sie bückte sich und packte den Bewußtlosen an. Mit der Klaue zerrte sie ihn ein Stück in die Höhe und schaute in sein Gesicht, wobei sein Kopf zur Seite gesunken war. »Jetzt habe ich dich!« flüsterte sie. »Und meine Freunde hinter der Scheibe werden sich freuen, wenn sie mal wieder einen lebenden Menschen zum Fraß bekommen…«
***
Der Treffer hatte mich zunächst paralysiert. Ich merkte nur, daß ich nicht auf den eigenen Beinen stand, mich aber trotzdem bewegte. Jemand schleifte mich über den Boden hinweg und hielt mich dabei in den Achselhöhlen fest. An der rechten war der Druck der Hand viel stärker, schon hart und unnachgiebig. Entfernt erinnerte ich mich daran, daß die Frau eine Klaue hatte, in der ein Auge steckte. Damit konnte ich im Augenblick nichts anfangen, weil ich einfach zu schwach war. Aber der Gedanke, wenig später hinter der Glasscheibe zu landen, ließ mich nicht los. Es würde leider auf eine Art und Weise geschehen, die ich beim besten Willen nicht gewollt hatte, deshalb sah es nicht unbedingt gut für mich aus.
Wie aus einer nebligen Ferne hörte ich die Stimme der Frau. Nicht mehr als ein zischendes Flüstern, ich konnte nicht verstehen, was sie überhaupt sagte.
Noch wurde ich über den Boden geschleift und befand mich nicht in diesem riesigen Terrarium. Ich wollte mich auch dagegen wehren, es wäre ideal gewesen, diese Frau noch außerhalb zu stellen, aber die Glieder waren wie mit Blei gefüllt. Ich begann erst allmählich, mich zu erholen. Um wieder voll fit zu sein, würde es noch einige Zeit dauern, das stand für mich fest.
Das Quietschen einer Türangel erreichte mein Gehirn wie eine böse Folter. Ich wußte, daß etwas Entscheidendes geschah, das auf keinen Fall gut für mich war, wollte mich auch dagegen stemmen, aber es hatte keinen Sinn.
Ich kam nicht durch.
Das Quietschen hörte auf, man schleifte mich weiter. Irgendwann ließen mich die Hände los, ich sackte nach hinten, schlug rücklings auf dem Boden auf, ohne etwas dagegen unternehmen zu können.
So blieb ich auch liegen.
In meinem Kopf tuckerte es. Die Schmerzen konzentrierten sich nicht auf den Nacken, denn dort war alles taub. Als hätte der Treffer ein Teil des Nervensystems gelähmt.
Wieder das Quietschen. Diesmal länger. Ich wollte selbst sehen, was da geschah und schlug die Augen auf. Vor mir bewegte sich ein Schatten, der aus Gittern bestand, die dicht nebeneinander lagen und durch ein dickes und dichtes Drahtgeflecht noch gesichert wurden.
Über der Tür sah ich einen Gegenstand, mit dem ich zunächst nicht zurechtkam. Bis mir einfiel, daß es ein Lautsprecher war, über den möglicherweise Alarm ausgelöst wurde.
Es war nicht gut. Ich befand mich in einer Situation, über die ich nicht einmal nachdenken wollte.
Aber ich mußte mich aus ihr befreien. In dieser hilflosen Lage war ich ein Fraß für die Echsen, und ich merkte auch, daß es mir schon wesentlich besser ging als noch vor wenigen Minuten. Oder waren es nur Sekunden?
Keine Ahnung.
Ich versuchte mich aufzurichten, als ich vor mir die Geräusche hörte. Da schleiften Füße über den Boden und bewegten etwas, das vor ihnen lag. Ich wartete ab und riß die Augen auf. Ein menschlicher Schatten geriet in mein Blickfeld, der seine Größe nicht behielt, denn die Person hockte sich rechts neben mich und starrte mir ins Gesicht.
Es war Deliah.
Sie hatte es geschafft, mich erst niederzuschlagen und dann hierher in das große Terrarium zu schleppen. Sie war nicht mehr nackt. Irgendein Stoff hing um ihren Körper. Das nahm ich nur am Rande wahr, wichtig war ihre Stimme, als sie mich ansprach. Während ich die Worte hörte, dachte ich daran, daß ich sie in eine Unterhaltung verwickeln mußte, denn das gab mir Zeit, mich wieder zu erholen. Außerdem hatte sie mich nicht entwaffnet, da war sie wohl nicht profihaft genug.
Ihr Gesicht war bei diesen Lichtverhältnissen nicht sehr deutlich zu erkennen. Es schien zu verschwimmen und dauernd in Bewegung zu sein, aber es löste sich nicht auf, wurde sogar deutlicher.
Für mich
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