0943 - Der KYBSOON-Effekt
Bedeutung eines Zentrums einer Religion."
„Sondern?"
„Wir versuchen, durch Meditation zu erreichen, daß wir Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden können. Das Symbol des Inneren Auges dient, das wird euch auch Toorl sagen, nur als Konzentrationsmittel, als Brennpunkt."
„Woraus besteht der Brennpunkt?" fragte ich und sah jenseits eines bewaldeten Hügels die ersten Teile des Heiligtums.
„Es scheint ein Stein zu sein. Oder ein Stück Metall. Ich kann mich nicht erinnern, daß jemand jemals das Auge selbst berührt hat."
„Das spricht nicht dagegen, daß es vielleicht doch unser ,Auge' sein könnte", sagte Hillfahr träumerisch.
„Wer ist jetzt viel zu optimistisch?" fragte ich mit einem nervösen Lachen.
Der Gleiter hatte die Strecke in langsamem Tempo zurückgelegt. Zweimal hatte sich Bushtron aus dem Schiff gemeldet und uns gefragt, ob alles in Ordnung sei. Wir konnten es nur bestätigen. Wir sagten für die Dokumentation, daß die Sydraner bereit waren, uns in jeder erdenklichen Form zu helfen. Bushtron bedankte sich und wünschte uns viel Erfolg. Wir umrundeten ein kleines Wäldchen, kamen an einer Art großem Wohnhaus oder Kloster vorbei und erblickten im Mittelpunkt einer riesigen Rasenfläche den Tempel.
Er wirkte keineswegs gigantisch oder mächtig.
Das Sydra lag auf einem niedrigen Hügel und lehnte sich förmlich an einen großen gelben Felsklotz an. Die große Rasenfläche wurde von wenigen schmalen Wegen und einigen Baumgruppen unterbrochen. Das Zentrum der Meditation war aus reich verziertem Schnitzwerk, hellem Stein, roten Ziegeln und dunklen Holzbalken erbaut und von einem geschwungenen Dach bedeckt. Die äußeren Bezirke, die breiten Treppen und die überdachten Terrassen waren frei und luden jeden zum Eintreten ein.
„Ihr müßt euer Fahrzeug vor der Säulenreihe abstellen", sagte Junaca. „Keiner von uns betritt das Sydra mit irgendeinem Fahrzeug."
„Einverstanden. Kein Problem", sagte ich. „Laudnahr?"
„Ich habe verstanden."
Wir stiegen aus dem Gleiter. Ich nahm die tragbare Komponente des Übersetzungsgeräts mit und wartete darauf, daß uns Junaca ins Innere des Gebäudes führen würde. Wenn wir alles richtig verstanden hatten, erreichten die Bewohner dieses Planeten in diesem Meditationszentrum verschieden hohe Zustandsformen ihrer Intelligenz und ihrer ethischen Überzeugungen. Diejenigen, die am begabtesten waren und am längsten meditierten, erhielten entweder eine Auszeichnung, die sich Weitblick nannte, oder sie waren tatsächlich in der Lage, kühnere Ideen und größeres Wissen zu besitzen.
Als wir näher an das Gebäude herankamen, bemerkten wir etwas Erstaunliches. Ich sah es zuerst. Die Balken und Pfeiler einer Eckverbindung vereinigten sich nahtlos und entpuppten sich als Teile eines Baumstamms, dessen Wurzeln einzelne Treppenstufen bildeten. Auch ein Teil des Daches lebte und bestand aus den parallel gezogenen Ästen des Baumes. Lebende und abgestorbene Teile des Gewächses ergänzten einander und bildeten tragende Elemente des Heiligtums.
Aus dem Innern drang ein dunkles, ruhiges Summen an unsere Ohren.
„Sehr interessant", bemerkte Caudmer. „Teile des Tempels sind gewachsen und überaus natürlich."
„Wir haben jahrhundertelang immer wieder die Natur manipuliert, so lange, bis sie diese Form hervorgebracht hat", bestätigte Junaca, ohne auf die Leistung im geringsten eingebildet zu sein.
Die Felsblöcke und die Ziegel waren nur Füllmaterial und wurden höchst zurückhaltend eingesetzt. Wir betraten das federnde Material einer Terrasse und konnten sehen, daß sie aus einer dicken Schicht Erdreich, Gras und leuchtenden Blüten bestand. Achtlos ging Junaca durch die prachtvollen Farbtupfer. Wir folgten ihr in steigender Verwirrung.
Um die natürlich gewachsenen Pfeiler wanden sich Schlingpflanzen, die einerseits Verstrebungen darstellten, andererseits mit ihren Blättern und vielfarbigen Blüten die Bögen und Durchgänge verschönten.
„Es scheint, daß fast der gesamte Tempel mehr gewachsen ist als erbaut wurde", sagte Laudnahr nach weiteren Schritten. Das dumpfe Summen nahm zu, einzelne Kadenzen ergaben eine einfache Melodie von zwingender Eintönigkeit.
„Die Steine bilden Verstrebungen. Die Ziegel schirmen dort ab, wo nichts wachsen konnte. Aber sämtliche Wände bestehen aus natürlichen Substanzen, die sich immer wieder erneuern. Zu jeder Jahreszeit hat das Sydra ein anderes Aussehen", pflichtete ihm die junge Frau bei.
Die
Weitere Kostenlose Bücher