0943 - Der KYBSOON-Effekt
verlassen."
Ich riß mich los und schlug mit dem Lauf der Waffe auf seine Hand. Betroffen blieb er stehen. Ich ging weiter und sprang schließlich über die Köpfe einiger Planetarier hinweg. Das Auge schien sich selbständig zu machen und mich, immer größer werdend, anzustarren. Die Pupille und die Iris schwebten aus der Dunkelheit auf mich zu, öffneten sich weiter und weiter und drohten mich zu verschlingen.
„Bleib hier, Demeter!" dröhnte Hillfahrs Stimme hinter mir.
Ich erkannte mit einem winzigen Rest gesunden Verstandes, daß ich im Begriff war, etwas vollkommen Wahnsinniges zu tun. Aber meine Schutzfunktionen und meine Beherrschung waren verschwunden, dahingeschmolzen unter dem Ansturm der unerwarteten Bestandteile der exotischen Atmosphäre.
Ich, die Anführerin dieses hochqualifizierten Kommandos, handelte völlig regelwidrig und voller Emotionen. Ich sprang im Zickzack zwischen den Meditierenden hin und her und auf das Auge zu. Der Gesang wurde abgehackter und lauter. Ich begriff trotz aller Verwirrung, daß sich die Planetarier dagegen wehrten, gestört zu werden. Meine Gedanken verwirrten sich. Ich sah nur noch das Auge, das uns hypnotisieren wollte, damit wir von den Planetariern leichter überwältigt werden konnten.
Die anderen Wynger blieben erschrocken am Rand des Saales stehen.
Trantan, Vomaler und Toorl rannten hinter mir her. Ihre Gesichter verschwarnmen immer wieder vor meinen Augen. Ich glaubte, Haß und Mordlust in ihnen zu erkennen. Ich hatte den Sockel erreicht und sprang auf die unterste Scheibe.
„Komm zurück, Fremde!" rief Trantan. „Du störst die Meditierenden. Warte doch!"
Ich hob den Kopf und starrte in das Auge.
„Du bist verwirrt, Demeter!" schrie unterdrückt der Weitblickende Vomaler. „Laß dir von uns helfen."
Von drei Seiten kamen sie auf mich zu. Das fremdartige Lied erschütterte jede Zelle meines Körpers. Ich erinnerte mich daran, daß ich nicht wehrlos war. Ich hob die Waffe und versuchte, die drei Weitblickenden einzuschüchtern und zurückzuhalten.
„Keine Waffe! Wir wollen dir helfen", rief Toorl. Er kam wie ein drohender Schatten auf mich zu und streckte gierig seine Arme aus.
Mein Finger krümmte sich um den Abzug der Waffe.
Ein dröhnender Schlag ging durch die pflanzliche Halle. Toorl schrie auf und brach zusammen. Im Licht der Glutbahn sah ich, wie Vomaler sich zur Seite warf und weiter auf mich zurannte. Ich wußte plötzlich, daß er mich umbringen wollte. Seine Finger verwandelten sich in riesige, funkelnde Klauen.
Ich schoß zum zweitenmal.
Während Vomaler, von der aufblitzenden Entladung in die Brust getroffen, nach hinten kippte und starb, hörte schlagartig das dröhnende Stummen aus den Kehlen der Meditierenden auf. Trantan, der von der anderen Seite kam, hatte mich fast erreicht. In seinen Händen glaubte ich Dolche zu sehen. Ich verteidigte mein Leben und die Existenz unseres Kommandos und feuerte auf den letzten der Angreifer.
Als Trantan sich mit einem würgenden Schrei auf dem Sandboden krümmte und starb, breitete sich Stille aus.
Das Summen hatte aufgehört.
Binnen weniger Sekunden leerte sich die Halle aus Baumstämmen, Felsen und Blättern. Die emotionellen Ausstrahlungen der Meditierenden rissen jäh ab. Drei zusammengekrümmte Körper lagen in verschiedenen Entfernungen vom Sockel des falschen Auges. Die marternde Musik und die eindringenden Mentalimpulse hatten mich verwirrt. Jetzt, in diesem furchtbaren Schweigen, kam ich in einzelnen Schüben wieder zu mir. Ich senkte die Waffe und versuchte zu begreifen, was geschehen war.
Ich hob die rechte Hand. Zwischen den Fingern sah ich die Umrisse der Waffe. Die rote Ladekontrollampe brannte wie ein versengendes Feuer. Jede Form der Belastung, der mein Verstand in den letzten Minuten ausgesetzt worden war, hatte mich spurlos aufgelöst. Ich stand allein mit drei Leichen hier. Ich hatte in meinem Wahn drei Männer umgebracht, die nicht die geringste Gefahr für uns bedeutet hatten. Von den anderen Freveln, die ich durch das Eindringen in die Ruhe der kontemplativ versunkenen Eingeborenen begangen hatte, ahnte ich noch nichts.
Meine Knie begannen zu zittern. Die Kraft verließ meine Muskeln, ich sank auf der untersten Stufe des Podestes zusammen. Klappernd fiel die Waffe auf den Stein.
Schweigen, Leere, Verzweiflung ich wußte nicht, wieviel Zeit verging. „Demeter!"
Ich hob mühsam den Kopf. Mir war unbeschreiblich elend. Je mehr Zeit verging, desto mehr klärten sich
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