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0943 - Herren aus der Tiefe

0943 - Herren aus der Tiefe

Titel: 0943 - Herren aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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sie diese Situation unbeschadet überstehen wollte.
    »Hilfe!«, schrie sie abermals, und der Ruf hallte von den Kacheln wider, verklang im Labyrinth der unterirdischen Gänge. Himmel, warum war denn hier niemand?
    Da! Eine Tür. Wenige Meter rechts vor ihr befand sich ein metallenes weißes Portal, das vermutlich zu einem Wartungsraum oder so führte. Vielleicht war es offen. Vielleicht bot es ihr ein Versteck. Es musste einfach so sein!
    Zwei Meter noch. Einer.
    Jenny streckte den Arm aus, reckte sich nach dem Knauf, drehte. Offen!
    Tatsächlich, die Tür schwang auf! Danke, Danke, Danke!
    Ohne nachzudenken, ließ sich Jenny Moffat nach vorn fallen - und über die Schwelle. Den Mann, der sie dort hämisch grinsend erwartete, sah sie erst, als er ihr schon mit einem nach Chloroform stinkenden Tuch entgegenkam. Sekunden später lag sie benommen auf dem schmutzigen Fußboden und bekam gerade noch mit, dass man ihr die Hände auf den Rücken band und ein stinkendes Stück Stoff zwischen die protestierenden Lippen schob. Dann wurde die Welt dunkel.
    ***
    »Sie sind wahnsinnig, wissen Sie das? Dieses unvorsichtige Verhalten kann sie den Kopf kosten!« Lieutenant Steven Zandt tobte. Der stämmige Mittfünfziger mit dem aschblonden Haar und dem breiten Schnäuzer stand hinter seinem überbordenden Schreibtisch, die Hände auf die Hüften gestemmt, und funkelte Sergeant Andy Sipowicz aus flackernden Augen an. Schweiß stand auf seiner Stirn und zauberte dunkle Flecken auf sein zerknittertes weißes Hemd. Unter den Achseln schienen sich ganze Seen zu befinden.
    »Sir, ich…«
    »Kommen Sie mir nicht auf die Tour, Freundchen«, schnitt Zandt ihm sofort das Wort ab. »Glauben Sie bloß nicht, Sie könnten sich auch nur ansatzweise für den Vertrauensbruch entschuldigen, den sie nicht nur mir, sondern diesem gesamten Department entgegengebracht haben. Die Presse lauert doch nur darauf, dass wir in dieser Sache unsere Deckung sinken lassen, Mann! Ein falscher Schritt, und wir machen das gesamte NYPD zum Gespött der Leute. Eines sag ich Ihnen, Sipowicz: Wenn das passiert, stehe ich nicht schützend vor Ihnen. Da müssen sie dann schon allein durch.«
    »Ja, Sir«, sagte Andy knapp. »Verstanden, Sir.«
    Zandt grunzte ungehalten. »Das will ich auch hoffen«, murmelte er, plötzlich wieder versöhnlicher. »Aber noch ist es nicht passiert. Und Sie sind ein guter Mann. Von daher: Zurück an Ihren Schreibtisch, Sergeant. Schwamm drüber. Aber wenn Sie das nächste Mal bei Nacht und Nebel Eigeninitiative zeigen wollen, denken Sie an die Hackordnung hier im Haus. Ein Cop kann ganz schnell im Bürodienst versauern, wenn er sich nicht an die Hierarchie hält.«
    Andy nickte. »Danke, Sir.«
    Mit einer wegwerfenden Geste bedeutete Zandt ihm, aus seinem Büro zu verschwinden.
    Dem kam er nur zu gern nach. Es war ein Fehler gewesen, dem Lieutenant von seinen Erkenntnissen bezüglich der West India Company zu berichten. Das wusste er nun. Es geziemte sich nicht für einen einfachen Sergeant, derartige Dinge im Alleingang zu recherchieret. Zandt hatte nicht Unrecht.
    Auch nicht mit seinen Drohungen.
    Der Gedanke an ein Berufsleben hinter dem Schreibtisch ließ Andy erschauern. Vielleicht wurde es wirklich Zeit, dass er Gryf und Jenny sich selbst überließ und einfach wieder seinen Job machte. Streng nach Vorschrift. Immerhin gab es diese Regeln, weil sie funktionierten, oder?
    Andy hatte sich bereits dafür entschieden, als er das Großraumbüro erreichte, das er sich mit zehn Kollegen teilte, und Gryf ap Llandrysgryf an seinem Schreibtisch sitzen sah. Der Silbermonddruide hatte es sich in Andys Sessel bequem gemacht, biss herzhaft in den Apfel, den er sich für die Kaffeepause aufgespart hatte, und hatte seine Füße auf der Tischkante abgelegt. Ringsherum warfen die Kollegen ihm fragende Blicke zu, sagten aber nichts; Gott allein mochte wissen, welche Geschichte er ihnen aufgetischt hatte, um seine Anwesenheit zu erklären.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Andy und baute sich bedrohlich vor ihm auf.
    »Absolut«, antwortete Gryf ganz sachlich und biss abermals in den Apfel. »Ich möchte Sie um etwas bitten, Sergeant.« Verschwörerisch sah er sich um und senkte die Stimme, als wolle er unliebsame Mithörer abwehren. »Darum, dass Sie den Fall weiterhin in Eigenregie bearbeiten.«
    Da hörte sich doch alles auf! Hatte der Typ etwa sein Gespräch mit dem Lieutenant belauscht? Konnte er neben dem zeitlosen Sprung etwa auch unsichtbarer

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