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0943 - Herren aus der Tiefe

0943 - Herren aus der Tiefe

Titel: 0943 - Herren aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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danach Lust verspüren, dieses Abenteuer bis zum Schluss weiterzuverfolgen, finden Sie mich bei Sipowicz.«
    Jenny schluckte und wischte sich mit dem Handrücken über die feuchten Wangen. »Warum machen Sie das? Sie haben selbst gesagt, dass Sie wegen mir hier aufgetaucht sind und keinerlei dämonische Aktivität vermuten. Warum also recherchieren Sie weiter, auch wenn ich aussteige?«
    Anstatt direkt zu antworten, förderte Gryf ein Taschentuch aus den scheinbar unerschöpflichen Untiefen seiner Jacke und reichte es ihr. »Weil ich es will«, sagte er dann. »Weil mich diese Geschichte unterhält, so absurd das auch klingt. Und weil ich, wie Sie, momentan dankbar für ein bisschen Ablenkung bin.«
    Momentan… Abermals war Jenny, als kratze sie an der Oberfläche einer größeren Wahrheit, als läge etwas hinter Gryfs Worten, das nur darauf wartete, dass sie es ansprach.
    Etwas, dass ihn betraf.
    Zamorra.
    »Grüßen Sie ihn von mir«, sagte sie leise. Bilder einer Nacht in der kanadischen Tundra schossen vor ihr geistiges Auge.
    »Andy?«, vermutete Gryf fälschlicherweise. »Aber klar. Ich gehe gleich zu ihm. Einer muss dem NYPD schließlich sagen, dass Roslin vermutlich tatsächlich ein Kandidat unseres unbekannten Brandstifters ist. Wir brauchen mehr Informationen über die gemeinsame Vergangenheit unserer Opfer und des Bürgermeisters, und wenn Roslin die nicht freiwillig rausrücken will, muss man ihn halt zwingen. Außerdem sollen unsere Freunde in Blau mal prüfen, mit wem unser lallender Herr Politiker nach dem Gespräch mit Jimmy Fallon telefonierte. Er klang dabei so definitiv, so vehement! Halten Sie mich für wahnsinnig, aber ich glaube, da besteht ein. Zusammenhang.«
    Jenny schmunzelte. »Oh, ich halte Sie für wahnsinnig, Gryf ap Llandrysgryf! Machen Sie sich da keine Sorgen. Aber aus anderen Gründen.«
    Gryfs Lächeln ließ ihn Jahre jünger wirken.
    Also wie fünfzehn? , fragte sich Jenny in Gedanken. Sie wusste, dass der Druide etwa acht Millennien auf dem Buckel hatte, aber rein optisch musste man ihn auf Anfang Zwanzig schätzen. Die Welt war eben unfair.
    Schnell trennten sie sich. Sie sah ihm nach, wie er die Straße überquerte, sich stur und Zielgerade seinen Weg durch die Menge der Stadtväterfreaks bahnte und begann, die marmornen Stufen zum Eingang der Polizeistation zu erklimmen, dann wandte auch sie sich zum Gehen. Nun, da sie wusste, wo die nächste U-Bahn-Station war, dürfte es ein Leichtes sein, den Weg zu Mikes Bett zu finden.
    Jenny hatte die unterirdische Station gerade erreicht, da klingelte ihr sechster Sinn. Sie wurde verfolgt! So absurd es auch klang, sie wusste es plötzlich, hatte absolute Gewissheit. Jemand war ihr auf den Fersen.
    Schnell sah sie sich um. Lief zufällig ein Cop durch die Gegend, oder ein Angestellter der Verkehrsbetriebe? Irgendjemand in Uniform, an den sie sich wenden konnte? Doch trotz der nachmittäglichen Stunde war die Haltestelle wie ausgestorben.
    Dann erklangen die Schritte.
    Jenny hörte sie hinter sich: klackende, schnelle Geräusche. Schuhsolen auf Beton. Wer immer das war, er holte auf!
    Ruckartig warf sie sich zur Seite, hechtete am Gleis vorbei und in einen Gang, der zurück an die Oberfläche führte. Ob ihr die spontane Reaktion einen Vorteil verschaffte? Sie hoffte es.
    Weiß gekachelte Wände im Neonschein. Werbeplakate und Graffiti an ihnen, Kunstwerke der Metropolengesellschaft. Jenny hechtete an ihnen vorbei, den Gang entlang, an dessen Ende sie die rettende Rolltreppe nach oben erhoffte. Und ihr Verfolger blieb an ihr dran.
    Obwohl sie nicht wagte, sich umzudrehen, hörte sie seinen keuchenden Atem, glaubte seinen Körperduft zu riechen, seine Gier zu spüren. Ihr Blick ging zur gewölbten Decke. Gab es denn hier keine Überwachungskameras? Sah nicht irgendwo ein Sicherheitsbeamter, dass sie verfolgt wurde? Dass möglicherweise ihr Leben in Gefahr war?
    Doch da war keine Kamera. Vielleicht gab es auch keine Sicherheitsleute.
    Stattdessen sah Jenny plötzlich in einen schräg an der Decke angebrachten, runden Spiegel - und in ihm den Mann, der keine drei Meter hinter ihr her rannte. Sie erkannte ihn sofort.
    Der Freak von gestern. Der Italoamerikaner, aus dessen Hand sie den Flyer erhalten hatte.
    Sie war ihm einmal entkommen - dank Gryfs Auftauchen. Noch mal hatte sie dieses Glück sicher nicht.
    »Hilfe!«
    Jenny war niemand, der gern auf sich aufmerksam machte, aber nun blieb ihr nichts anderes. Sie brauchte Unterstützung, wenn

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