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0943 - Herren aus der Tiefe

0943 - Herren aus der Tiefe

Titel: 0943 - Herren aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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sie…«
    Plötzlich ging alles ganz schnell. Der Mann hechtete nach links, ergriff den Arm der gut aussehenden Kleinen, zog sie zurück - und im nächsten Augenblick waren sie verschwunden! Kein Haar blieb zurück, um von ihrer Anwesenheit zu zeugen.
    John blinzelte. Taumelte. Rülpste.
    »Sir?«, drang eine markante Männerstimme aus dem Knopf in seinem Ohr. »Wir sind bereits an der Tür, Sir. Können Sie den Vorfall bestätigen?«
    Er seufzte, hob die Hand und rieb sich über das Gesicht. Mit einem Mal war ihm so kalt, dass seine Zähne klapperten. Als er sich umdrehte, fiel sein Blick auf die Scotchflasche. Verflucht, er musste dringend mit der Sauferei aufhören!
    »Negativ, Cotton«, murmelte John Roslin resigniert in das verborgene Mikrofon. »Ich… Vergessen Sie's einfach, okay? Falscher Alarm.«
    Mit zitternden Händen schüttete er sich das nächste Glas ein.
    Kapitel 7 - Tod in Manhattan
    Jenny Moffats Welt drehte sich noch, als der Bürgersteig vor dem Molloy's unter ihren Schuhsolen schon wieder Substanz angenommen hatte. Schwankend hob die Journalistin die Arme, suchte nach einem Halt, und bemerkte erst, dass sie sich wie eine Ertrinkende an Gryf klammerte, als dieser sie verschmitzt anlächelte.
    Sofort ließ sie die Arme sinken. »Das genügt«, sagte sie fest. »Ernsthaft: Diese… diese ganze Geschichte hier - das ist doch Wahnsinn! Was machen wir denn groß? Wir jagen Phantomen hinterher, brechen Gesetze, als wären sie nicht mehr als Verhaltensempfehlungen und fühlen uns dabei auch noch moralisch überlegen.«
    Unbändige Wut wallte in ihr auf und raubte ihr die Orientierungslosigkeit, die für sie immer mit einem zeitlosen Sprung einherging. »Diese Stadt hat die vielleicht beste Polizeitruppe der Welt, Gryf«, fuhr Jenny fort und sah zu ihm auf. »Warum in Gottes Namen lassen wir die nicht einfach ihre Arbeit machen, he? Wir glauben doch beide nicht daran, dass diese Morde übersinnlichen Ursprungs sind.«
    Die Worte galten ihm, doch die Wut richtete sich gegen sie selbst. Schließlich hatte sie niemand gezwungen, vom Krankenlager ihres Kameramannes und Lebenspartners zu fliehen und sich in die Arbeit zu stürzen. Niemand hatte sie gezwungen, dem ohnehin stark angeschlagenen Bürgermeister von New York den Schock seines Lebens zu verpassen und zu flüchten, sowie die Lage brenzlig wurde. All dies war ihre eigene Schuld - weil sie schwach gewesen war. Und feige. Weil sie es zugelassen hatte, dass sie glitzernde Lichter von der Schwärze ablenkten, die in ihr Leben Einzug gehalten hatte.
    Mikes Diagnose. Darauf lief es hinaus, oder nicht? Wie man es auch drehte und wendete. Jenny hatte versucht, dem realen Grauen zu entkommen, indem sie sich in ein fiktives stürzte. Wie eine Fünfjährige war sie weggelaufen, anstatt sich der Last zu stellen, die auf ihren Schultern lag. Und sie hatte jede Gelegenheit dankend angenommen, sich weiter von ihr zu entfernen, obwohl sie es tief drin besser wusste.
    Mit einem Mal spürte sie, wie ihr die Schamesröte ins Gesicht und die Tränen in die Augen schossen. Schnell wandte sie sich ab.
    »Gehen Sie zu ihm«, sagte der Silbermonddruide leise, die Stimme warm und verständnisvoll. »Wo immer er ist, gehen Sie hin. Wenn Sie wollen, kann ich Sie schnell…«
    Sofort hob sie die Hand, schüttelte den Kopf. »Damit ich vor lauter Schwindelgefühl auf sein Krankenbett kotze?«, fragte sie und lachte trotz ihrer Tränen. »Danke, aber ich komme schon klar. Ich suche mir ein Taxi oder nehme die U-Bahn. Wie Menschen, wissen Sie? Die machen das so.«
    Gryf nickte. »Hab ich gehört.«
    Neben ihnen hupte und brummte der nachmittägliche Verkehr über die zweispurige Einbahnstraße, die die ungleichen Gefährten von Police Plaza 1 trennte. Abgase erfüllten die Luft und vermischten sich mit dem Gestank, der aus den zahlreichen versifften Imbissläden drang, die den Gehsteig säumten, und dem schweißgetränkten Aroma all der Passanten, die an Jenny und Gryf vorbei eilten. All dies war nah, und doch kam es der jungen Frau in diesem Moment vor, als gäbe es nur zwei Menschen auf dem gesamten Erdball - und einer von ihnen gehörte biologisch gesehen gar nicht dazu.
    »Danke«, sagte sie leise. »Für alles. Es tut mir leid, dass ich Sie im Stich lasse. Dass ich Sie so angefahren habe, aber…«
    Er hob die Hand. Das schelmische Glitzern kehrte in seine Augen zurück. »Vergessen Sie's. Kümmern Sie sich einfach um das, was Sie zu erledigen haben. Und wenn - falls Sie

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