0947 - Das Voodoo-Weib
Zuerst einmal muß ich sagen, daß ich nicht von hier stamme.«
»Ist zu hören«, sagte ich. »Dem Slang nach tippe ich auf die Südstaaten der USA.«
»Bingo, John. Ich komme aus Louisiana, aus der Nähe von New Orleans, wo vieles anders ist und die Menschen an Dinge glauben, über die hier gelacht wird.«
»Voodoo!«
»Sehr gut.«
»Wir kennen den Kult«, erklärte Suko.
»Das ist noch besser, denn nur so können wir vorurteilsfrei arbeiten.«
»Dann hatten die Verbrannten mit einem Voodoo-Zauber zu tun«, sagte ich.
»Das will ich nicht bestreiten.«
»Wessen haben sie sich schuldig gemacht?«
»Ich habe keine Ahnung.« Bayou hob die Schultern. »Ich habe sie nicht gekannt.«
»Ach.«
Er winkte ab. »Nicht unbedingt persönlich. Natürlich kannte ich sie vom Ansehen.«
»Und was taten sie hier?« fragte Suko.
»Sie lebten mehr schlecht als recht. Wie alle eben. Sie turnten hier durch die Gegend, sie waren auf der Suche, und wenn man mit ihnen sprach, dann wußten sie es selbst nicht, denn hier sind alle auf der Suche. Irgend wie schon - ja«, sagte er sehr nachdenklich.
»Fast alle sind auf der Suche, besonders die aus der Karibik, die hier in der Fremde besonders zusammenhalten und die Sitten und Gebräuche ihrer Heimat pflegen.«
»Kannst du uns genau sagen, was sie suchen?«
Bayou starrte Suko erstaunt an. »Nein, das kann ich nicht. Sagen wir so, sie suchen Heil.«
Bayou sprach in seinem leicht singenden Tonfall.
»Sie suchen den Weg, um aus dieser Misere herauszukommen, und allein ist das schwer.«
»Stimmt«, gab ich zu. »Also werden sie sich nach einem Hoffnungsträger umsehen.«
»Stark, John, stark.« Er verengte die Augen etwas, als fühlte er sich vom Kerzenschein geblendet. »Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Es kann auch eine Hoffnungsträgerin sein.«
»Eine Frau.«
Er applaudierte mir.
»So also läuft der Hase…«
»Eher die Häsin«, sagte er.
»Eine Frau und Voodoo!«
»Möglicherweise.«
»Waren die vier Voodoo-Diener?« fragte Suko.
Bayou hob die Schultern. »Alles ist möglich, vieles kann eintreffen - muß aber nicht. Die Bullen, und das sage ich als einer von ihnen, obwohl ich mich im Prinzip nicht so fühle, stehen vor einem Rätsel. Sie haben natürlich kein Ohr für die Probleme dieser Menschen hier. Sie hoffen, daß sich die Minderheiten, wie wir ja eine sind, problemlos in die Gesellschaft einreihen. So und nicht anders ist es doch. Und dabei brodelt es weiter. Wahrscheinlich wird es in dieser Nacht wieder zu Ausschreitungen kommen, die Zeichen stehen auf Sturm, aber die düstere Wahrheit sieht niemand.«
»Aber du«, sagte ich.
Er lachte wieder glucksend. »Ich will mich nicht hervorheben, aber ich habe schon den besseren Durchblick.«
»Dann laß uns daran teilhaben, deshalb sind wir schließlich hier zusammengekommen.«
»Langsam, Suko, langsam. Bei dir wird es unter Umständen weniger Ärger geben als bei John. In dieser Nacht hat man etwas gegen Weiße - das hat sich nun mal so entwickelt. Ich will mich auch nicht dafür entschuldigen, aber ich merke, daß sich die Kräfte allmählich konzentrieren.«
»Du meinst damit die Demo?«
»Nicht unbedingt. Ich meine mehr die Zentrale, wo sich die Kenner treffen.«
»Das hört sich schon besser an.«
Bayou senkte für einen Moment den Kopf. »Kennt ihr The Hell ?« fragte er dann.
»Die Hölle?«
»Ja, so heißt sie.« Er schaute uns wieder an. »Es ist ein Lokal, ein Insider-Schuppen, der so heißt. Ein Treffpunkt meiner Landsleute, wo sie aufblühen. Sie brauchen sich dort nicht zu verstecken, sie können den Klängen der Trommeln lauschen und sich hineinfallen lassen in die große Voodoo-Trance.« Er grinste breit, bevor er sagte:
»Sicherlich hat der gute Ramsgate nach Querverbindungen zwischen den vier Toten gesucht. Oder nicht?«
»Da hast du recht.«
»Und er hat keine gefunden, John. Wie sollte er auch? Das war nicht möglich, denn er ist ein Außenstehender.« Bayou zeigte zuerst auf Suko, dann auf mich. »Ihr aber seid schlauer geworden, denn ihr kennt die Verbindung bereits.«
»Tatsächlich?« fragte ich.
»Ja.« Bayou hatte den Spott in meiner Stimme überhört. »Es ist das Lokal. Es ist die Hölle. Das ist der Verbindungspunkt zwischen den vier Toten.«
»Kannst du da genauer werden?« fragte ich.
»Nur ungern. Ich blicke selbst noch nicht durch, aber das Lokal ist wichtig.«
»Wem gehört es?«
»Leonora Vendre!«
Ein neuer Name war gefallen. Einer, mit dem wir
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