0947 - Das Voodoo-Weib
einen Schritt zurück. »Ich? Ich soll sie euch vorstellen?«
»Ja. Das war so gut wie abgesprochen. Oder sollen wir als Fremde dort erscheinen?«
»Nein, nein, das nicht. Wenn sie wirklich jemand geschickt hat, dann weiß sie auch Bescheid, versteht ihr? Das hat sie nicht ohne Grund getan. Sie muß erfahren haben, daß wir drei zusammenarbeiten, und zwar durch ihren Diener. Nur er konnte es ihr übermitteln.«
»So sehen wir das.«
»Toll, toll.« Bayou schnappte nach Luft. »Glaubt ihr etwa, daß ich mich dann noch in die Höhle des Löwen hineinwage und die Hölle betrete?« Er schüttelte den Kopf. »Nein, nein, so haben wir nicht gewettet, überhaupt nicht. Das ist ein Irrtum, das mache ich nicht. Ich mache überhaupt nichts mehr.«
»Wieso?«
»Na ja, ich meine - also ich, es ist vorbei. Ich kann nicht mehr hier arbeiten. Ich scheiße was auf meinen Job. Ich bin enttarnt. Man wird mich mit dem Kopf zuerst in ein Ölfaß stecken und mich krepieren lassen. Das sind doch die Regeln.«
»Das waren sie!« behauptete Suko.
»Wie…?«
»Wir werden dafür sorgen, daß man sie auf den Kopf stellt. Auch wenn diese Gestalt mit den leuchtenden Augen so etwas wie ein Leibwächter dieser Voodoo-Königin gewesen ist, so werden wir einfach deine Leibwächter sein.«
Bayou lachte wieder, obwohl es nichts zu lachen gab. »Ihr wollt meine Leibwächter sein? Ihr?«
»Wer sonst?«
»Ihr werdet euch wundern. Diese Nacht, und das geb ich euch schriftlich, diese Nacht ist die Hölle. Nein, noch nicht ganz. Sie wird die Hölle werden. Dann tritt nämlich die andere Hölle nach draußen und vereinigt sich mit der menschlichen.«
»Was meinst du damit?« fragte ich ihn.
»Die Demo, Sinclair«, flüsterte unser Kollege zurück. »Vergiß die Demo nicht.«
»Dann sollten wir uns beeilen, um die Hölle vor ihr zu erreichen. Los, Bayou, Abmarsch!«
***
Die beiden schwarzen Totenschädel mit den Bernsteinaugen in den Augenhöhlen glotzten Leonora Vendre von zwei verschiedenen Seiten an, aber das war sie gewohnt, denn sie selbst hatte die beiden Schädel dort aufgebaut. Als sie noch normal gewesen waren, hatten die Köpfe zwei jungen, starken Männern gehört, die dann jedoch in die Falle der Frau gelaufen waren und ihre sehr intime Bekanntschaft mit dem Leben hatten bezahlen müssen.
Leonora lächelte, als sie daran dachte, aber ihr Lächeln erlosch ziemlich rasch, denn sie wußte mittlerweile auch, daß man ihr auf den Fersen war.
Ausgerechnet er, ausgerechnet dieser John Sinclair. Bisher hatte sie ein Zusammentreffen mit ihm vermeiden können, doch seit einigen Stunden waren sie wie zwei Strahlen, die von verschiedenen Seiten her auf sie zuglitten, wobei ein Treffen unvermeidlich war.
Es würde kommen, sie wußte es, auch der anderen Seite war es bekannt, und sie würde sich darauf einrichten, das stand fest.
Noch hatte sie Ruhe. Aber hier drinnen, in der Hölle, war es ebenso die Ruhe vor dem Sturm wie draußen auf den Straßen, wo bald der Mob toben würde. Dann waren die meisten Bullen abgelenkt, so daß sie sich mit Sinclair und auch den beiden anderen beschäftigen konnte, und auf dieses irrsinnige Experiment freute sie sich jetzt schon. Magische Wunderdinge, von ihr durchgeführt, von der Kraft des besonderen Blutes geleitet, hinein in den Tunnel der bösen Phantasien.
Sie kicherte und ging dann vor, hinein in die Hölle. Er war der Raum, der einer Hölle glich. Gezeichnete Flammen an den Wänden. Dazwischen verziert mit scheußlichen Fratzen, wie sie schrecklicher nicht sein konnten. Auch von der Decke her starrten sie auf die Gäste herab, und wenn sich der Propeller des Ventilators an der Decke drehte und den dicken Rauch durcheinanderquirlte, dann sah es manchmal so aus, als würden sich die Fratzen dort bewegen.
Lautlos ging sie vor. Wie ein Gespenst. Gespenstisch grau wirkte auch die Kleidung. Sie war eingehüllt in Tücher, als wollte sie eine zweite Salome werden, die anschließend ihren Schleiertanz vorführte. Das hätte sie auf der runden Tanzfläche in der Mitte des Lokals absolvieren können, aber Leonora ließ es bleiben.
Ebenso wie die anderen Gäste, die auf ihren Stühlen oder Bänken an den Tischen saßen und dabei wirkten, als wären sie auf dem Sprung.
Kein Weißer, nur Farbige!
Leonora sah es, obwohl sie im Hintergrund stehenblieb. Die Menschen kannten sie beinahe alle namentlich, und irgendwie fühlte sie sich als deren Besitzerin.
Farbige, keine Weißen.
Bis auf eine Ausnahme. Die
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