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0948 - Der Hort der Sha'ktanar

0948 - Der Hort der Sha'ktanar

Titel: 0948 - Der Hort der Sha'ktanar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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hatte. Wäre sie älter als dreizehn gewesen, hätte er sie stattdessen öffentlich den Finsteren vorgeworfen.
    Zamorra fröstelte bei dem Gedanken an diese schrecklichen Wesen. Niemand wusste, woher sie kamen. Manche vermuteten, dass der Erbfolger sie aus einem Dämonenreich geholt habe wie die meisten der anderen Schreckensgestalten auch. Der überwiegende Teil - zu dem auch Zamorra gehörte - ging jedoch davon aus, dass die in Lemuria herrschende Bosheit sie angezogen hatte. Dass sie aus weiter Ferne gekommen waren, weil die Regentschaft des Erbfolgers, diese Hölle auf Erden, den idealen Nährboden für sie darstellte.
    »Da kommt jemand!«, hauchte ein glatzköpfiger Priester neben Svern.
    Alle Anwesenden lauschten angestrengt in die Finsternis jenseits des Mauerdurchbruchs. Tatsächlich. Durch die Feuchtigkeit der Kanalisation näherten sich leise patschende Schritte.
    War das Seerte?
    Nachdem der Erbfolger sie in den Palastdienst zwangsverpflichtet hatte, war sie drei Jahre lang niemandem mehr außerhalb der Palastmauern unter die Augen gekommen. Auch das war das übliche Vorgehen, um die Sklaven geistig zu brechen und von ihrer Familie zu entfremden.
    Der Widerstand und allen voran Svern hatte gehofft, dass die zehnjährige Vorbereitung Wirkung zeigte und seine Tochter innerlich standhaft blieb. Ihre Hoffnung erfüllte sich: An dem Tag, als sie zum ersten Mal Ausgang erhielt, fand sie sich unverzüglich bei dem lange Zeit vorher vereinbarten Treffpunkt ein.
    Die Rebellen hatten ihren ersten Teilsieg errungen: Sie hatten eine Agentin in den Palast geschleust.
    Die nächsten fünf Jahre vergingen mit gelegentlichen heimlichen Zusammenkünften, Vorbereitungen, Planungen, Änderungen der Planungen. Zamorra wusste, dass Svern stets das Herz blutete, wenn er Seerte wieder ziehen lassen musste. Aber das große Ziel verlangte eben von jedem Opfer.
    (An einem anderen Ort in einer anderen Zeit, schüttelte ein schlafender Zamorra in seinem Bett den Kopf über die Auswüchse des Fanatismus. Doch er hatte in dieser Welt aus sinnloser Gewalt nicht leben müssen. Konnte er die Menschen also verurteilen für ihre Verblendetheit, für ihren Hass?)
    Heute sollte das letzte Treffen stattfinden. Nicht nur das letzte vor der Geburt des neuen Erbfolgers, sondern das letzte überhaupt. Seerte wollte ihnen berichten, ob sie am Tag der Entbindung nahe genug an die Mutter oder das Neugeborene herankommen konnte, um die Erbfolge ein für alle Mal zu beenden. Ihnen allen war klar, dass Seerte dabei ihr Leben lassen würde.
    Deshalb bedeutete diese Zusammenkunft zugleich einen Abschied für immer. Umso verständlicher war es, dass Svern nicht gewillt war, darauf zu verzichten und sich vorzeitig zurückzuziehen.
    Die Schritte kamen näher, verharrten für einige Sekunden und setzten wieder ein.
    Zamorra und die anderen Priester standen von ihren Plätzen auf und starrten gespannt zum Mauerdurchbruch. Die Anspannung war ihren Gesichtern deutlich anzusehen.
    Instinktiv griff Zamorra in die Jackentasche seines weißen Anzugs und umklammerte den Gedankenkristall, den er darin verbarg. Die Legenden berichteten, dass es früher - zu Zeiten vor dem Erbfolger - eine Unmenge dieser bläulich schimmernden Steine gegeben haben sollte. Angeblich sollten über den Städten sogar gigantische Exemplare geschwebt und das ganze Land mit Energie versorgt haben.
    Das hörte sich jedoch so unglaublich an, dass es vermutlich wirklich nicht mehr war als eben nur eine Legende.
    Heutzutage existierten nur noch wenige dieser Kristalle und ihre Handhabung gestaltete sich erheblich schwieriger, als die alten Geschichten behaupteten. Zuweilen schienen sich die Gedankenbilder richtiggehend zu weigern, Wirklichkeit zu werden. Schon mancher Lemurer hatte seine Versuche, die Welt mit einem Gedankenkristall nach seinen Wünschen zu verändern, mit dem Leben oder dem Verstand bezahlt.
    Gerüchte besagten, der Erbfolger oder einer seiner Dämonen besitze einen Kristall, dessen Macht die aller anderen in den Schatten stelle. Mit ihm blockiere er die Kraft der übrigen Steine. Oder zumindest erschwere er deren Benutzung. Ob diese Geschichten der Wahrheit entsprachen, wusste Zamorra nicht. Er wusste jedoch, dass nur die hochrangigsten Priester wie er einen Gedankenkristall besaßen und verwenden konnten - und dass dies im Lemuria der letzten Jahrtausende ein Schwerverbrechen darstellte. Wenn die Henker ihr Handwerk verstanden, zog sich die dafür verhängte Hinrichtung von

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