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0948 - Der Hort der Sha'ktanar

0948 - Der Hort der Sha'ktanar

Titel: 0948 - Der Hort der Sha'ktanar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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der ersten bis zur letzten Minute über vier Monate hin.
    (Minuten? Monate? In Lemuria? Der träumende Meister des Übersinnlichen bemerkte, dass er fremdartige Begriffe automatisch in seine eigene Verständniswelt übersetzte.)
    Die Dunkelheit hinter dem Mauerdurchbruch begann zu bröckeln und verwandelte sich schließlich in einen flackernden Lichtschein. Zamorra atmete tief durch und ließ den Gedankenkristall los. Dämonen hätten keine Fackeln benutzt, wenn sie sich näherten. Sie hätten sich im Dunkeln angeschlichen und das Überraschungsmoment ausgenutzt.
    Dennoch warf Zamorra einen kurzen Blick auf den Eingang des Raumes: eine schwere Holztür, die dem Mauerdurchbruch gegenüberlag. Der Weg dorthin war frei. Falls sie die Flucht ergreifen mussten…
    Er konnte es nicht begründen, aber die Anspannung wollte nicht weichen. Irgendetwas war nicht in Ordnung. Selbst als Seertes hagere, blasse Gestalt auftauchte, vermochte er die Unruhe nicht abzustreifen.
    »Endlich!« Svern machte zwei Schritte auf den Durchbruch zu, blieb dann jedoch unvermittelt stehen.
    Hinter seiner Tochter erschienen weitere Kreaturen. Geschöpfe, wie einem Albtraum entsprungen und doch aus dem alltäglichen Straßenbild Lemurias nicht mehr wegzudenken. Nackte, geschlechtslose Wesen, von deren länglichen Köpfen nur vereinzelte spröde Haarsträhnen abstanden. Bleiche, fast transparente Haut, unter der pulsierende schwarze Adern schimmerten, spannte sich um die dürren Glieder. Statt eines Mundes besaßen sie ein starres, von wulstigen Lippen umgebenes Loch, in dem sich fortwährend kreisende Kiefer mit unzähligen nadelspitzen Zähnen öffneten und schlossen. Ein pumpender, gieriger Schlund, einem verkümmerten Rüssel gleich, auf der steten Suche nach Nahrung.
    Gosh-Dämonen!
    Die vermutlich widerlichsten Gestalten, die Lemurias Städte bevölkerten. Im Gegensatz zu den meisten anderen höllischen Kreaturen waren sie nicht an den Erbfolger gebunden, gehörten also nicht zu seinem unmittelbaren Fußvolk. Bei ihnen handelte es sich um parasitäre Wesen, die sich zwar auch von Fleisch und Blut ernähren konnten. Ihre bevorzugte Speise bestand jedoch aus weit weniger greifbaren Dingen: Leid, Angst, Hass, Neid, gequälte Seelen. All das sogen sie mit ihrem Sägezahnschlund in sich auf wie den köstlichsten Nektar. Sie waren nach Lemuria gekommen, weil sie hier genügend Nahrung vorfanden.
    Solange sie ihm nicht in die Quere kamen, ließ der Erbfolger sie gewähren.
    Bei den anderen Schwarzblütern standen sie nicht sehr hoch im Kurs, dienten sie doch nicht dem gleichen Herrn. Vielleicht beneideten sie die Gosh auch um deren Unabhängigkeit. Um nicht völlig als Außenseiter zu gelten, verdingten sich die Widerlinge deshalb zuweilen in Patrouillen für den Erbfolger.
    Und eine solche hatte Seerte ihnen in ihr Versteck geführt!
    »Warum?«, krächzte Svern.
    Seine Tochter schwieg. Doch sie neigte den Hals zur Seite und zog ihr wollenes Gewand etwas nach unten. In der Halsbeuge prangte ein kreisrundes Mal.
    Zamorra keuchte entsetzt auf.
    Neben all den Scheußlichkeiten, zu denen die Dämonen fähig waren, gehörte diese zu den schrecklichsten: der Kuss der Gosh. Ein schmerzhafter Biss, bei dem ein süchtig machendes Gift in den Körper des Opfers gelangte. Mit ihm entwickelten sie sich zu willenlosen Sklaven, die alles dafür tun würden, den nächsten peinigenden Kuss zu empfangen.
    Da die Gosh dem Erbfolger auf diese Weise potenzielle Diener stahlen, wandten sie den Kuss nur an, wenn der Tyrann es gestattete.
    Die Erkenntnis raubte Zamorra den Atem. Die Schlunddämonen waren ihnen nicht von selbst auf die Schliche gekommen. Sie handelten im Auftrag des Erbfolgers! Dass er sich der Rebellen nicht persönlich annahm, konnte nur bedeuten, dass er sie als nicht bedrohlich genug ansah. Und damit hatte er vollkommen recht. Soeben hatten sie ihre Spionin verloren, ihre einzige Waffe, die sie seit zwanzig Jahren vorbereitet hatten.
    Ihnen blieb keine Zeit, sich leidzutun, denn die Gosh griffen an. Sie schoben Seerte kurzerhand zur Seite und quollen durch den Mauerdurchbruch wie Knarrkäfer aus einem hohlen Baum. Der Priester mit der Glatze schnappte sich das schartige Schwert, das er gegen den Tisch gelehnt hatte. Bis zum Heft rammte er es dem vordersten Gosh in die Brust, doch der zeigte sich davon unbeeindruckt. Er bewegte den Oberkörper so ruckartig nach rechts, dass der Glatzkopf den Griff losließ. Mühelos zog der Dämon die Waffe heraus und

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