0948 - Leonoras Alptraumwelt
Sphäre hineingedrängt hatten.
Der Drachentrunk war für mich das Maß aller Dinge, denn er stellte die Verbindung zu diesem Voodoo-Weib her.
Ich lag auf dem Rücken, die Arme neben dem Körper ausgestreckt. Es war eine ruhige Zeit, auch in London. Die Tiefschlafphase für viele Menschen, andere aber wälzten sich oft unruhig in ihren Betten herum, fanden keinen Schlaf, so wie ich.
Zudem ertappte ich mich dabei, daß ich versuchte, nach nebenan an zu laufen, zu Shao und Suko, aber es drang kein Laut durch die Mauer.
Meine Gedanken irrten ab, was aber weniger mit mir selbst zu tun hatte, als mit der Müdigkeit oder Schlaffheit, die mich überkam. Hinter mir lag ein verdammt harter Tag, da verlangte der Körper einfach nach Ruhe. Es war sein natürliches Recht. Ich segelte hinein in den Zustand zwischen Schlaf und Wachsein, wo die normalen Umrisse der Umgebung verschwammen und alles in einem einzigen, zumeist grauen Farbton zurückblieb.
Der Zustand war mir nicht neu, ich würde hinübergleiten in den Schlaf, nur diesmal nicht.
Plötzlich hörte ich eine Stimme.
Es war die einer Frau.
Und ich kannte sie, obwohl ich sie erst einmal, und zwar am heutigen Tag, gehört hatte.
Leonora Vendre nahm Kontakt auf.
»Hier bin ich, Sinclair!«
***
Blitzartig war ich hellwach. Nein, das stimmte nicht. Es kam mir nur so vor, als würde ich hellwach im Bett liegen. Tatsächlich aber lag ich noch in dieser verdammten Grauzone zwischen Schlaf und Wachsein und wußte nicht, wie ich reagieren wollte. So wie ich mußte sich auch ein Gefangener fühlen. Jedenfalls war es mir nicht möglich, dieser Stimme eine Antwort zu geben.
Dafür bewegte ich meine Augen. Ich suchte so gut wie möglich den Raum ab, schielte auch zu den Seiten hin, aber ich bekam leider nichts zu sehen.
Sie war da, aber sie befand sich nicht in diesem Schlafzimmer. Die Vendre war nichts anderes als eine imaginäre Gestalt, die aus dem Unsichtbaren hervor ihre Fäden zog.
»Hast du es erlebt, Sinclair? Hast du erlebt, wie gut und wie mächtig ich bin?«
Ich schwieg.
Sie aber redete weiter. »Es war erst der Anfang. Nur der Anfang, Sinclair. Hättest du dir je vorstellen können, mit einer derartigen Phantasie gesegnet zu sein? Ein kleiner Vorgeschmack von dem, was noch folgen wird. Keiner bleibt verschont, Sinclair, und ich glaube nicht, daß die nächsten Opfer überleben werden. Du und dein Freund Suko, ihr habt den Trank genossen. Ihr befindet euch unter meiner Kontrolle, und ich kann mit euch machen, was ich will. Ich beherrsche eure Phantasie. Ich kann in deine Psyche hineinkriechen und sie so beeinflussen, daß es mir gefällt. Du wirst keine Ruhe mehr vor mir finden, Sinclair. Du wirst erleben, wie du allmählich zugrunde gehst, ohne daß du es stoppen kannst. Und das gleiche gilt für deinen Freund. Die Nacht, Sinclair, diese Nacht, ist noch nicht beendet, das sage ich dir…«
Auf einmal war die Stimme weg. Verschwunden, zum Schweigen gebracht, aber ich hörte einen anderen Schrei. Ich selbst hatte ihn ausgestoßen.
»Nein, verdammt!« brüllte ich und schnellte aus meinem Bett hoch. Schwer keuchend blieb ich hocken, das Gesicht von einer kalten Schweißschicht bedeckt, die sich bis in meinen Nacken hinzog.
Es war ein Wahnsinn, es war nicht zu begreifen. Ich kam gegen dieses Weib nicht an. Es zog seine Fäden und ließ mich zappeln wie eine Marionette.
Langsam sank ich wieder zurück und blieb liegen, als ich das Kissen an meinem Hinterkopf spürte.
Wieder lag ich apathisch da, starrte abermals gegen die Decke, aber dort zeichnete sich keine Lösung ab. Nun stellte sich mir die Frage, ob es überhaupt eine Lösung für dieses verdammte Problem gab.
Schon die Frage bereitete mir Magendrücken. Bisher war es uns immer gelungen, gewisse schwarzmagische Wesen in Schach zu halten, das würde mir diesmal schwerfallen, möglicherweise sogar unmöglich sein.
Die andere Seite machte, was sie wollte, sie spielte mit uns, und ich spürte immer mehr den Drang, Suko anzurufen, um zu fragen, wie es ihm und Shao erging.
Sie hatten sich nicht gemeldet, oder hatte sich diese Leonora zunächst auf mich konzentriert, um mich fertigzumachen? Ich suchte nach einer Lösung, auch wenn es nur ein Kompromiß war, denn sonst sah alles mehr als düster aus.
Wie ich mich aus dieser Lage befreien konnte oder herauskam, wußte ich nicht, ich konnte höchstens eine Schadensbegrenzung erreichen. Die Phantasien konnten mich urplötzlich überfallen, deshalb wollte ich
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