0948 - Leonoras Alptraumwelt
permanent gewappnet sein.
Aber wie sollte das geschehen?
Bei dieser Frage drehte ich mich im Kreis. Eine Antwort fand ich nicht, doch dann kehrten meine Gedanken zurück zu der Szene im Pub, die so schlimm gewesen war.
Trug ich tatsächlich die Schuld daran?
Ich wußte es nicht. Ich wußte überhaupt nichts mehr. Alles war so anders geworden. Ich lag in meiner normalen Umgebung und fühlte mich wie in der Fremde.
Wachbleiben! hämmerte ich mir ein. Du darfst nicht einschlafen, sonst ist alles verloren. Nur nicht einschlafen! Mit offenen Augen daliegen und versuchen, nichts anderes an dich herankommen zu lassen.
Versuchen, die Gedanken zu kontrollieren, aber es gab einen Unterschied zwischen Gedanken und Phantasien. Das wußte ich verdammt, denn die einen konnten kontrolliert werden, die anderen nicht.
Ich war nervös. An Schlaf war nicht zu denken. Mich überkam das berühmte Prickeln, und ich dachte daran, daß irgendwann vielleicht etwas geschehen könnte.
Im Zimmer war alles normal. Es brannte kein Licht, und trotzdem war es nicht zu dunkel, weil die Tür offenstand, die zum Wohnraum ebenfalls. Dort hatte ich das Licht brennen lassen, so daß der Schein bis zum Schwelle der Schlafzimmertür fließen konnte.
Es war alles okay und in Ordnung, Einer, der meine Wohnung kannte, hätte mich ausgelacht, dem hätte ich nicht begreifbar machen können, auf was ich wartete.
Nein, auf keinen Fall, auf keinen…
Etwas stimmte nicht mehr.
Ich lag im Bett. Ich schaute gegen die Wand und den Kleiderschrank gegenüber dem Fußende. Dort bewegte sich etwas. Aber es war nicht das Möbelstück, das dort verrückt wurde.
Woher kam das zweite Bett?
Woher kam die dunkelhaarige Frau, die darin lag. Sie hatte sich auf die Seite gedreht, das Gesicht war mir zugewandt. Zudem hatte sie ein Bein angezogen, so daß ihr Knie unter dem Laken hervorschaute. Ich sah auch einen Teil der Schulter; mir gelang sogar ein Blick auf ihr Gesicht.
Entspannt sah es aus. Weiche, frauliche Züge. Ein Gesicht, das ich mochte, dessen Lippen ich schon mehr als einmal intensiv geküßt hatte. Das mir so vertraut war.
Natürlich.
Es war Glenda.
Ja, Glenda Perkins.
Mein Gott, es ging wieder los!
***
Shao wußte nicht, was sie sagen sollte. Sie saß vor Suko hatte die Hände auf seine Knie gelegt, hatte ihm zugehört und jedes Wort regelrecht genossen, und sie wußte jetzt, daß er auf ihren Kommentar wartete, denn alles war gesagt worden.
»Du schweigst?«
»Ja, Suko, ich schweige.«
»Dann glaubst du mir nicht?« fragte er mit unsicher klingender Stimme.
Sie hob die Schultern. »Weißt du, Suko, wenn ich dich nicht so gut und genau kennen würde, dann hätte ich gesagt, daß du spinnst, daß du ein Träumer, ein Spinner, ein Irrer, ein Verlorener oder was sonst noch bist. Aber ich kenne dich, und dich habe dir sehr genau zugehört, deshalb weiß ich, daß du mich nicht angelogen hast. Daß nichts einer Phantasie entspringt, daß John und du diese Schrecken durchgemacht habt.«
Er nickte. »Sehr richtig. Und daß sich in meinem Magen auch der Drachentrank befindet.«
»Und jetzt hast du Angst?«
Suko blickte direkt in das Gesicht seiner Partnerin. Seine Augen waren groß, das Gefühl, das er empfand, spiegelte sich darin wieder. »Ja, ich habe Angst. Ich fürchte mich vor der Hexe, und ich fürchte mich gleichzeitig vor mir selbst. Ich komme mir vor wie jemand, der einen Selbstmord auf Raten begeht. Was weiß ich denn, wozu meine Phantasie alles fähig ist. Was sie mir vorgaukelt, was tief in einem Menschen steckt und noch nicht erforscht wurde. Was weiß ich denn? Ich weiß nichts, ich weiß gar nichts, denn ich bin nicht mehr als ein Spiegelbild in den Händen einer anderen Person. So ist das doch, so und nicht anders.«
»Ja, Suko, das weiß ich.« Shao nickte und senkte den Blick. Sie hatte die Hände jetzt auf ihre Oberschenkel gelegt und betrachtete sie, als läse sie dort eine Lösung ab. »Ich weiß das alles, aber du solltest etwas nicht vergessen: Es ist gut und richtig, wenn du über dich redest, doch du hast eines nicht bedacht.«
»Was denn?«
Sie atmete tief ein und stöhnte dabei leise. »Es ist doch so, Suko. Du hast mir alles von Beginn an berichtet. Ich weiß, daß es vier Tote gegeben hat. Es sind vier dunkle Skelette übriggeblieben, und zwar von Menschen, die diesen verdammten Drachentrunk ebenfalls zu sich genommen haben.«
»Das stimmt, denn ein Skelett haben wir gesehen.«
»Muß ich dich jetzt noch fragen,
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