0948 - Leonoras Alptraumwelt
diesem Fall war alles in seiner Nähe.
Auch ich.
Plötzlich befand ich mich nicht mehr in meinem Zimmer, sondern in dieser Phantasiewelt, aber ich wurde von Zebulon gehalten, und es geschah etwas, das ich schon einmal erlebt hatte.
Auch mein zweites Ich entstand!
Während Zebulon mich selbst fest in der Hand hielt, konnte sich mein zweites Ich bewegen, und es bewegte sich automatisch auf ein Ziel zu. Es war Leonora Vendre, die nach wie vor auf dem Rücken ihres mutierten Reittieres saß.
Sie sah mich, und sie griff mit einer Hand nach ihrem Gürtel. Mit einer sehr sicheren Bewegung zog sie ihr Schwert hervor, sie zielte damit gegen mich, aber die Klinge fuhr durch mich hindurch. Eine Tatsache, die sie erstarren ließ.
Ich merkte, daß mir etwas in die Hand gedrückt wurde. Dabei wußte ich nicht, ob es bei meinem ersten oder bei meinem zweiten Ich geschehen war, aber die Ähnlichkeit zur Vergangenheit war frappierend, nur war des damals unter dem Licht des Knochenmondes geschehen.
Ich hatte Zebulons Waffen bereits in Aktion erlebt, diese Strahler, die eine unheimlich starke Energie verschossen und Feinde verdampften.
Jetzt besaß ich diesen Strahler.
Und ich schoß damit auf die Voodoo-Hexe. War ich selbst es, war es mein zweites Ich, genau hätte ich es nicht sagen können, denn es geriet einiges durcheinander.
Aber der Erfolg heiligte die Mittel.
Leonora Vendre, das Voodoo-Weib, wurde vor diesem grellen, gelbgrünen Strahl in der Körpermitte getroffen, wo er sich blitzartig ausbreitete. Aus dem Punkt wurde ein Spinnennetz aus Licht, das in jeden Winkel dieser Person hineingeriet.
Das Voodoo-Weib hatte gegen diese Kraft nicht die Spur einer Chance. Sie konnte sie nicht zurückhalten, sie fand ihren Weg in hellen, gut zu verfolgenden Zickzacklinien, und sie zerstörte den Körper radikal. Ich hörte nicht mal einen Schrei, ich sah nur eine Wolke aus Blut, Haut und Licht. Dabei merkte ich, wie etwas an mir zupfte, und dann plötzlich war alles verschwunden.
Die Monster, die Welt - und die Voodoo-Hexe.
Ich riß die Augen auf.
Neben mir stand Suko. Beide hielten wir uns vor dem offenen Fenster auf und starrten hinein in den kalten Morgen, den noch kein Tageslicht durchschnitt. Wir sahen das ferne Funkeln einiger Weihnachtsbäume, und da wußten wir, daß uns die Wirklichkeit zurück hatte. Und wir hörten es auch an dem Schluchzen hinter uns.
Gemeinsam drehten wir uns um.
Vor uns kniete Glenda. Sie hielt eine Beretta fest, aber die Mündung zeigte zu Boden, und die Waffe pendelte zuckend zwischen ihren Fingern. So bewegte sie auch ihren Kopf, und sie hörte meine Frage: »Was wolltest du mit der Waffe, Glenda?«
»Euch - euch erschießen!« keuchte sie. »Verdammt noch mal, ich hätte es auch getan und…«
»Warum denn?«
»Wieso? Wißt ihr nicht…?«
Wir hoben die Schultern. »Weißt du was, John?« fragte mich mein Freund Suko.
»Tja, im Prinzip nicht. Aber ich glaube schon, daß da etwas gewesen ist. Und irgendwie fühle ich mich anders, befreiter,«
»Es gibt ihn nicht mehr, John.«
»Was meinst du damit?«
»Den Drachentrank. Er ist, na ja, er muß einfach verschwunden sein, ebenso wie das Voodoo-Weib. Ich habe es ja gesehen, ich war doch mit dir zusammen, und ich habe dich zweimal gesehen.«
»Ja…«
»Es spielt nun wirklich keine Rolle«, sagte Glenda, »wen oder was ihr gesehen habt. Jedenfalls könnt ihr euch bei Barry F. Bracht und damit auch bei Zebulon bedanken, alles andere sollten wir so schnell wie möglich vergessen und heute gemeinsam Weihnachten feiern.«
Glenda hatte Bracht erwähnt. Er lag auf der Couch. Rücklings, die Hände auf dem Bauch gefaltet.
Um seine Lippen herum spielte ein Lächeln, als wäre er dabei, einen besonderen Traum so richtig zu genießen.
Vielleicht sogar einen Traum von einem strahlenden Weihnachtsbaum und leuchtenden Kinderaugen…
ENDE des Zweiteilers
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