0948 - Leonoras Alptraumwelt
ebenfalls ungewöhnlichen Möglichkeiten greifen, um ihr zu entkommen.
»Ich würde an eurer Stelle nicht zu lange warten«, schlug Glenda vor.
»Gesetzt den Fall, wir stimmen zu«, sagte ich, »was geschieht dann? Was haben wir gewonnen?«
»Euer Leben, vielleicht. Und ihr werdet mit euren Waffen keinen anderen mehr bedrohen. Ob du es glaubst oder nicht, John Sinclair, auch ich habe Angst. Ich komme mir vor wie eingekesselt, aber ich muß es einfach versuchen, und ich bin mir sicher, daß Shao in meiner Lage ähnlich gehandelt hätte. Noch ist sie bewußtlos, du hast ja verdammt hart zugeschlagen, Suko, aber daran können wir nichts ändern. Ich werde es durchziehen müssen - bitte.«
Beide schauten wir auf Glendas ausgestreckten Arm. Eine Hand wies auf Suko, die andere auf mich, aber wir schauten darüber hinweg, um uns gegenseitig anschauen zu können. Jeder wartete auf eine Reaktion des anderen, bis Suko schließlich den Anfang machte und nickte. Dabei gab er auch seinen Kommentar ab. »Wir müssen das Risiko eingehen, John. Es nutzt alles nichts. In einer derartigen Situation haben wir uns noch nie zuvor befunden. Ich bin dafür.«
Mein Zögern dauerte Glenda zu lange. »He, John, was ist mit dir? Träumst du etwa?«
»Nein, das nicht.«
»Dann spring endlich über deinen eigenen Schatten. Ich denke nicht, daß uns noch viel Zeit bleibt.«
Es fiel mir schwer, aber ich nickte, bevor ich Sukos Beretta anhob, auf der noch immer meine Hand lag. Ich reichte sie Glenda, die sich erhoben hatte und die Pistole in den Bund ihrer Hose steckte.
»Nun deine eigene, John.«
»Okay.« Auch davon trennte ich mich.
»Danke«, sagte Glenda leise, bevor sie sich umdrehte und Suko um die Dämonenpeitsche bat.
Er gab sie ihr noch nicht, sondern fragte: »Ausgefahren oder…?«
»Ja, kampfbereit.«
Mein Freund schlug den Kreis, dann rutschten die drei Riemen hervor. Glenda lächelte, als sie den Griff umfaßte und die Waffe ebenfalls in den Hosenbund steckte.
So kannten wir sie nicht. Mit zwei Pistolen und der Dämonenpeitsche kam sie uns fremd vor, aber ihr selbst ging es ziemlich gut. »Jetzt geht es mir besser«, sagte sie.
»Kann die Hexe jetzt kommen?« fragte ich.
»Meinetwegen ja.«
Es fiel uns beiden immer noch schwer, waffenlos auf dieses Voodoo-Weib zu warten. So etwas hatte ich auch noch nicht erlebt. Nicht, daß ich mir nackt vorkam, wie man immer so schön sagt, aber ungewohnt war es schon. Ich schaute nicht gerade fröhlich in die Welt.
Suko erging es ähnlich. Glenda hatte sich nicht wieder hingesetzt. Sie ging im Zimmer auf und ab, schaute mal aus dem Fenster in die Dunkelheit des frühen Morgens hinein und sagte plötzlich einen Satz, mit dem wir nicht gerechnet hatten.
»Heute ist der Heilige Abend…«
»Ja«, bestätigte ich. Ich war in den letzten Tagen mit den Daten etwas durcheinandergeraten, weil die Zeit zu rasch verging. »Und ich möchte ihn auch noch in den echten Abendstunden erleben.«
»Das schaffen wir.«
»Ich schaue mal nach Shao«, sagte Suko und stand auf. Mit müden Schritten ging er auf das Schlafzimmer zu. Glenda, Barry F. Bracht und ich blieben zurück.
Stille umgab uns. Selbst Bracht schnarchte nicht mehr, was uns wunderte. Ich ging zu ihm.
Er lag auf dem Rücken. Bewegt hatte er sich nicht, die Augen hielt er geschlossen. Es war nicht zu erkennen, ob er sich während des Schlafs entspannte oder von irgendwelchen Alpträumen begleitet wurde. Es konnte durchaus sein, daß er die Reisen seines Zweitkörpers miterlebte, aber er gab uns keine Nachricht.
Ich beschäftigte mich mit mir selbst. Es war schlimm, aber ich befand mich in einer Situation, wo ich förmlich auf den Angriff der Voodoo-Hexe wartete. Darauf, daß sie durch ihre magische Kraft den verdammten Trank in mir mobilisierte, aber da tat sich nichts. Ich fühlte mich völlig normal.
Als ich mich von Barry F. Bracht abwenden wollte, geschah es. Er öffnete nicht die Augen, aber den Mund. Nicht normal, sondern nur zuckend, als könnte er sich nicht dazu überwinden, etwas zu sagen.
Glenda hatte die Veränderung nicht gesehen, sondern gespürt. Deshalb fragte sie auch: »Ist etwas passiert, John?«
»Barry F. scheint zu erwachen.«
»Mein Gott, nur das nicht! Dann kann Zebulon nichts mehr erreichen. Das wäre schlimm.«
»Noch ist es nicht soweit.«
Glenda stellte sich neben mich. Auch sie sah jetzt, daß Barry F. Bracht schon unruhiger geworden war. Diese Unruhe hatte nicht nur seinen Mund erfaßt,
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