0949 - Beherrscher der Tiere
erklärte der Junge unbefangen. „Man sagte mir nur, daß ihr Terraner minderwertige Intelligenzen seid, die man bekämpfen muß."
„Ich fürchte, man hat dich etwas einseitig unterrichtet", meinte Tekener vorsichtig. „Es gibt keine minderwertigen Intelligenzen in diesem Universum. Es gibt nur grundverschiedene Lebensformen. Sie alle haben ihre Aufgabe zu erfüllen und an ihrem Platz zu stehen."
„Genau das sagt Gursc auch immer!" rief der Junge zufrieden aus. „Wer ist Gursc?"
„Der Stadtmaurer von Gostabaar. Früher war er nur Erster Buchhalter, aber nach Koks Tod wählte man ihn einstimmig in sein neues Amt."
„Aha. Und was sagt Gursc noch?"
„Daß es die Aufgabe der Arkoniden ist, über die Milchstraße zu herrschen."
Jennifer Thyron schnappte nach Luft. Tekener dagegen nickte nachdenklich.
„Was ist mit den anderen Völkern?" erkundigte er sich.
„Sie haben an ihrem Platz zu stehen und sich den Arkoniden unterzuordnen, denn sie sind uns von Natur aus unterlegen."
„Und wenn sie sich weiterentwickeln?"
„Ich verstehe Sie nicht. Wie sollten sie sich entwickeln?"
„Ich will versuchen, es dir zu erklären", sagte Tekener gedehnt. „Du bist noch ein Kind, aber eines Tages wirst du ein Mann sein, und wenn du dich bemühst, genug zu lernen, wirst du irgendwann all die Dinge verstehen, die dir jetzt noch Kopfzerbrechen bereiten. Aber wenn man dir jetzt verbieten würde zu lernen, dann würdest du vermutlich auch ziemlich dumm bleiben, nicht wahr?"
Der Junge nickte, aber er schien von Tekeners Argumenten nicht sonderlich überzeugt zu sein.
„Auch ein Volk wächst und wird älter, und je älter es wird, desto klüger wird es bis auf wenige Ausnahmen. Es gibt Kinder und Völker, die von selbst lernen, und es gibt andere, denen man ab und zu helfen muß. Aber wenn man einem Volk gar keine Chance zum Lernen gibt, wird es sich nur langsam entwickeln. Verstehst du das?"
„Im Großen Imperium herrschten die Arkoniden über viele Völker", sagte Irbonth. „Es war eine glorreiche Zeit.
Niemand wurde unterdrückt. Alle sahen, daß wir Arkoniden ihnen überlegen waren."
„Aber das Große Imperium existiert nicht mehr."
„Ihr Terraner habt es vernichtet", sagte Irbonth, aber seine Stimme klang unsicher.
„Eines Tages wirst du es besser wissen", sagte Tekener sanft. „Hat man dir von Atlan erzählt?"
„Ja aber was hat der mit dem Großen Imperium zu tun?"
„Eine ganze Menge", sagte der Terraner lächelnd. „Zum Beispiel ging es mit den Arkoniden bergab, weil sie sich allmählich rückentwickelten. Sie degenerierten, Irbonth. Ich weiß nicht, ob du darüber Bescheid weißt, aber ich lüge dich nicht an: Die Arkoniden waren einfach nicht mehr fähig, über andere Völker zu herrschen. Sie interessierten sich nicht mehr für Politik und Wissenschaft, sondern gaben sich nur noch dem Vergnügen hin."
Irbonth war bleich geworden.
„Das ist nicht wahr!" rief er wütend. „Das ist die Lüge eines Terraners! Gursc hat recht!"
„Warte noch einen Augenblick, Irbonth", sagte Tekener, und etwas in der Stimme des Terraners brachte den Jungen dazu, sich wieder in den Sessel zu setzen, obwohl er drauf und dran war, aus dem Zimmer zu rennen.
„Ich habe keinen Grund, dir Lügen zu erzählen", fuhr Tekener fort. „Atlan ist ein Arkonide von der alten Art, tatkräftig, intelligent, voller Energie. Als er nach Arkon zurückkehrte, hatte dein Volk nicht einmal mehr die Kraft, sich selbst zu regieren. Eine Maschine herrschte über die Arkoniden, und allein dieser Robotregent bestimmte, was im Großen Imperium zu geschehen hatte. Atlan sorgte dafür, daß mit Hilfe eines Bioprogramms aus völlig degenerierten Arkoniden handlungsfähige NeuArkoniden entstanden. Auch du bist ein NeuArkonide, und Atlan wäre vermutlich stolz auf seine Arbeit, wenn er dich kennenlernen könnte."
„Das ist alles nicht wahr", flüsterte Irbonth entsetzt.
„O doch, Junge, es ist wahr. Das Bioprogramm, dem du deinen wachen Verstand verdankst, wurde von denen entwickelt, die du als minderwertige Intelligenzen bezeichnetest. Wenn hier jemand lügt, dann ist es Gursc. Er erzählt euch von der guten alten Zeit, in der es in Wirklichkeit ziemlich grausam zuging, und verschweigt euch, daß ihr Arkoniden die Hilfe fremder Völker brauchtet, um wieder zu dem zu werden, was ihr jetzt seid. Ich werde mich mit Gursc unterhalten müssen. Es ist ein Verbrechen, ein Kind so zu belügen."
Irbonth starrte den Terraner wie betäubt an.
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