0949 - Beherrscher der Tiere
eigenes Laub. Unzählige Schmarotzerpflanzen hatten sich auf ihnen angesiedelt. Die dünneren, nicht tragfähigen Zweige wurden jedoch von diesen Gewächsen gemieden, ganz so, als hätten die Pflanzen genug Verstand, um sich vor einem vorzeitigen Ende beim nächsten Unwetter zu schützen.
Sie wurden tüchtig durchgerüttelt, denn dieser Fluggleiter war für derartige Gewaltunternehmungen nicht vorgesehen. Sein empfindliches Leitsystem ließ sich durch die in unterschiedlicher Höhe stehenden Zweige und die dichten Blätter irritieren, so daß das Fahrzeug sich immer wieder weigerte, weiter nach unten zu gehen, und den Hindernissen auszuweichen versuchte. Mit viel Mühe gelang es Tekener, das bockende Gefährt hinabzudrücken. Erst als sie die Wipfelregion hinter sich gelassen hatten und zwischen die halbwegs frei stehenden Stämme gelangten, wurde es besser.
Sie sahen schnell ein, daß ihnen keine andere Wahl blieb, als ihre eigenen Füße zu benutzen, wenn sie in diesen Urwald einzudringen versuchten. Für einen Menschen gab es immer noch genug Lücken, durch die er sich winden konnte. Für den Gleiter war einfach nicht genug Raum vorhanden. Selbst die Landung war problematisch, denn die Automatik nahm das unter dem Gleiter befindliche Gestrüpp wahr und weigerte sich, in diese luftige Angelegenheit hineinzusinken.
„Das Ding geht mir auf die Nerven!" schimpfte Tekener und legte kurzerhand sämtliche Systeme lahm. Der Gleiter fiel den letzten halben Meter wie ein Stein herab.
Sie starrten hinaus in die grüne Dämmerung, in der es von Leben nur so wimmelte. Tellergroße Insekten mit durchsichtigen Flügeln umschwirrten die mächtigen Stämme der Bäume, bleiche, krebsähnliche Tiere eilten über die vermodernden Blätter, und überall kündeten glänzende Schleimspuren von der Anwesenheit noch ganz anderer Lebensformen, Es gab Gewächse, die wie Pilze aussahen, und andere, die Orchideen ähnelten, nur daß sie überhaupt keine Farbe besaßen und so durchsichtig wie dünnes Glas waren.
„Ein Spaziergang wird es nicht", meinte Jennifer skeptisch. „Wenn wir wenigstens wüßten, daß wir in der Nähe der richtigen Stelle sind."
„Wir warten eine Stunde lang ab", entschied Tekener. „Die Tiere haben uns bemerkt. Wenn einige von ihnen auf irgendeine Weise mit Kihnmynden in Verbindung stehen, sollten sie unsere Anwesenheit eigentlich melden. Und dann ist Kihnmynden am Zug."
Die Stunde verging qualvoll langsam. Um die Zeit herumzubringen, sortierten sie ihre Habseligkeiten, zogen die Schutzanzüge an und bereiteten sich für einen sofortigen Abmarsch vor. Keiner von ihnen verlor ein Wort darüber, daß diese Vorbereitungen aller Voraussicht nach völlig sinnlos waren. Je länger sie an diesem Platz blieben, desto unwahrscheinlicher kam es ihnen vor, daß sie mit einer so ziellosen Suche Erfolg haben sollten.
„Na schön", sagte Tekener schließlich. „Steigen wir aus."
Sie kletterten aus dem Gleiter und versanken bis über die Knöchel in weichem Mulm. Scharen winziger Tiere flohen vor den Füßen der Menschen, und andere Kompanien von Waldbewohnern stürzten sich von oben auf die Eindringlinge. Für Sekunden waren die beiden Terraner blind. Eine wimmelnde Masse von winzigen Kreaturen nahm ihnen die Sicht. Sie blieben stehen und warteten geduldig ab. Die Tiere merkten bald, daß sie die Schutzanzüge der Menschen nicht zu durchdringen vermochten. Sie zogen sich zögernd zurück. Aber von da an folgten immer einige in lockerem Verband den beiden Eindringlingen.
„Wohin?" fragte Jennifer über das Helmfunkgerät.
„Bergauf", murmelte Tekener. „Mehr weiß ich auch nicht."
Sie sorgten dafür, daß sie jederzeit zum Gleiter zurückfinden würden, indem sie ein kleines Gerät in Gang setzten, das in regelmäßiger Folge Peiltöne von sich gab.
„Wir werden Gursc und seinen Spießgesellen auf diese Weise den Weg zeigen", meinte Jennifer besorgt, aber Tekener winkte ab.
„Sie können den Gleiter sowieso jederzeit orten, ihn sogar zur Umkehr bewegen, wenn es ihnen darauf ankommt.
Aber ohne den Sender finden wir den Weg niemals. Gehen wir dahinauf, mir scheint, weiter hinten wird der Wald etwas lichter."
Sie marschierten los, zwängten sich zwischen eng stehenden Stämmen hindurch und wateten durch leuchtende Pilzrasen, und bei jedem Schritt hörten sie das stetige Summen und Sirren der Insekten. Manchmal vernahmen sie auch Laute, die von größeren Tieren stammen mochten, aber vorerst ließ sich keines
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