095 - Das Ungeheuer von Loch Ness
hatte angebissen. Nun, das machte nichts; er würde die Köder auswechseln, uni so die Freßgier der Fische erneut anzuregen.
Spean bückte sich nach der alten Zuckerdose, die unter einem Strauch stand. Sie enthielt Käsereste und gekochte Kartoffeln. Als er sich aufrichtete, hörte er nicht weit von sich ein Planschen. Ruckartig nahm er den Kopf herum. Da mußte ein besonders dicker Fisch aus dem Wasser gesprungen sein.
Es war kein Fisch. Das Untier hatte sich bewegt; und Matt Spean sah jetzt den schrecklich geformten Kopf, blickte in einen Echsenrachen, wie man ihn sich in seinen wildesten Träumen nicht fürchterlicher ausmalen konnte.
Wie gelähmt blieb der Farmer stehen. Er dachte sofort an Nessie, das er bisher für eine Erfindung gehalten hatte. Es lebte also doch. Und es war nur knapp zwanzig Meter von ihm entfernt.
Aus den Nüstern stob eine dünne Wasserwolke. Dann war ein Fauchen und gereiztes Zischen zu hören. Das Monster streckte seinen langen Hals vor und versuchte, nach Matt Spean zu schnappen.
Der Farmer reagierte automatisch. Die Bewegung dieses muskulösen Halses und das scheußliche Drachengebiß lösten seine Lähmung. Er holte weit aus und warf den Ködereimer auf das Monster. Dieses schnappte zu und biß auf die alte Zuckerdose. Blechern knirschte das Metall, das von den Kiefern zerquetscht wurde.
Matt Spean hatte sich bereits umgedreht und rannte zum Feldweg zurück. Jetzt half nur noch eine schnelle Flucht.
Nach ein paar Sekunden blieb er stehen und schaute sich um. Er konnte sich kaum vorstellen, daß Nessie ihm folgte. Es sollte ja ein Wassertier und mit Flossen ausgerüstet sein.
Das war jedoch nicht der Fall. Entsetzt stellte der Farmer fest, daß das Monster auf säulenartigen, kurzen Beinen bereits hinter ihm her war. Es bewegte sich plump und schwerfällig, doch es war bestimmt nicht langsam. Es brach durch das dichte Ufergestrüpp und walzte jedes Hindernis nieder. Gierig streckte es den langen Hals weit vor.
Matt Spean rannte weiter. Gleichzeitig aber wußte er, daß er es wahrscheinlich nicht schaffen würde. Das Monster war schneller. Es schien in wilde Wut geraten zu sein. Das Zischen und Fauchen wurde lauter. Spean wurde von einer Wolke ekelerregenden Gestanks eingenebelt. Es roch nach Aas, Verwesung und Tod.
Spean schnappte verzweifelt nach Luft. Sein Magen revoltierte. Er würde gleich brechen müssen. Wie er es geschafft hatte, den Weg zu erreichen, wußte er dann nicht mehr. Er sah rechts von sich den Traktor mit dem Anhänger. Vielleicht bot dieser Schutz. Vielleicht konnte er sich hinter dem Anhänger verstecken.
Spean stolperte um den Wagen herum und merkte erst jetzt, wie ausgepumpt und erschöpft er war. Er hielt sich am Aufbau fest, kniff die Augen zusammen und maß das Monster, das jetzt überraschenderweise zurückzuckte. Fürchtete es den Traktor? Nein, es stampfte schon wieder weiter.
Spean duckte sich, als der schlangenartige Kopf vorzuckte. Die Kiefer schlugen in den Holzaufbau des Anhängers und rissen große Stücke heraus. Milchkannen wurden durcheinandergerüttelt, rollten von der Ladefläche und fielen auf den Weg. Zwei Kannen öffneten sich. Milch floß auf die Erde. Matt Spean hetzte bereits weiter. Plötzlich hörte er einen Schrei, der in ein röchelndes Brüllen überging.
Spean befand sich bald auf dem Hang, der in den Wald hinaufführte. Er hielt sich keuchend an einem Baumstamm fest und sah zurück. Sein Herz dröhnte, die Angst schüttelte ihn. Doch dann sah er das Monster, das sich wie besessen benahm. Es stand mit den vorderen kurzen, säulenartigen Beinen in der Milchkanne und wehrte sich verzweifelt gegen diese weiße Flüssigkeit. Der muskulöse Schlangenhals pendelte verzweifelt hin und her. Aus den schrecklichen Echsenaugen rannen dicke rote Tropfen, die an Blut erinnerten.
Was Matt Spean dann beobachtete, wollte er nicht glauben. Es mußte sich um eine Sinnestäuschung handeln. Die Vorderbeine dieses Monsters lösten sich auf. Die Konturen der Gliedmaßen verschwammen, zitterten, vibrierten. Das Monster kippte auf die breite Brust und tauchte in die Milch ein; und da löste sich auch die Brustpartie auf, wurde zu einer Art Gelee, die in einen milchigweißen Nebelsirup überging.
Es dauerte nur wenige Sekunden, bis das Monster sich restlos in diesem Nebel auflöste. Die zähen Schwaden verdichteten sich zu einem dünnen Rinnsal, das zurück in den See kroch. Wo der Sirup die Wasseroberfläche berührte, sprudelte und kochte das
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