095 - Das Ungeheuer von Loch Ness
oder?"
„Ich würde das nicht auf die leichte Schulter nehmen", warnte Carrings.
Er ruderte los.
„Ihr lebt hier am Loch Ness doch von Schauermärchen", warf der junge Mann ironisch ein. „Geschickt aufgezogen - das muß der Neid euch lassen."
„Sie glauben nicht an Nessie?" wunderte sich Lester Carrings überrascht.
„Natürlich nicht", lautete die Antwort des jungen Mannes. „Uns fehlt nur noch ein gutes Motiv vom See. Hoffentlich haben Sie so was zu bieten."
„Sie werden auf Ihre Kosten kommen."
Lester, Carrings war ehrlich verstimmt. Für ihn war Nessie eine Realität, auch wenn er dieses Fabelwesen bisher noch nicht gesehen hatte.
„Nun sagen Sie bloß, Sie hätten Nessie schon mal gesehen?" fragte der ältere Tourist ironisch. „Wir sind unter uns. Sie können also die Wahrheit sagen."
„Selbst wenn ich's gesehen hätte, Sir, glauben würden Sie mir ja doch nicht."
„Wäre natürlich eine tolle Sache, wenn es ausgerechnet heute mal erschiene", sagte der ältere Tourist.
Lester Carrings verzichtete auf eine Diskussion über dieses Thema. Er ruderte schweigend und kraftvoll weiter, umrundete die spitze Felsnase und steuerte auf den Stammplatz zu.
„Was ist?" fragte er nervös, als der jüngere Tourist plötzlich ruckartig den Kopf hob und nach seinem Fotoapparat griff.
„Da hat sich was im Wasser bewegt", sagte der junge Mann zu seinem Vater. „Mein Wort, da war was!"
Carrings schmunzelte. Der Tourist war natürlich auf einen treibenden Wurzelstamm hereingefallen. Er gönnte ihm diese Täuschung.
„Jetzt - jetzt sehe ich es auch", stieß der ältere Mann hervor. „Da ist was weggetaucht. Und da erscheint es wieder. Halten Sie an, Mann! Hören Sie doch mit der blöden Ruderei auf! Wir sind nahe genug dran!"
Neugierig geworden, wandte Lester Carrings sich gegen seinen Willen halb um. Was mochte die beiden Touristen nur so in Erregung versetzt haben? Inzwischen mußten sie doch erkennen, daß es sich um ein großes Stück Treibholz handelte.
Dann sah auch er es.
Ein schlangenartiger, schmaler Kopf, auf dem kurze Hörner zu sitzen schienen, tauchte aus dem Wasser auf. Grellrote Augen musterten blutgierig das kleine Boot. Der lange, muskulöse Hals hob sich immer weiter aus dem Wasser, das an dieser Stelle zu kochen schien. Ein gezackter, drachenartiger Rückenkamm deutete an, wie riesig und massiv dieser Körper sein mußte. Wasserranken hingen von den Borsten und Zacken herab. Das graugrüne Fell schillerte in der Morgensonne. Ein schlangenartiger, langer Schwanz schlug auf das Wasser. Das schreckliche Fabelwesen brüllte heiser, und dann verschwand der riesige Körper wieder.
„Mann! So rudern Sie doch!"
Die Stimme des jüngeren Touristen war heiser vor Angst. Er warf sich vor, langte nach den Riemen und hinderte Lester Carrings an der richtigen Arbeit.
„Weg!" brüllte Carrings und stieß den jungen Mann zurück.
Er versuchte, das Boot zu wenden und spürte Sekunden später, daß es angehoben wurde.
Carrings ließ die Riemen los, klammerte sich an der Sitzbank fest und stieß einen gellenden Schrei aus.
In das schwere Ruderboot schwappte Wasser; es schaukelte gefährlich.
Der ältere Tourist war von seiner Sitzbank gerutscht, lag auf dem Bootsrost und hielt sich verzweifelt fest.
Mit dem Rücken zum Bug sitzend, sah Lester Carrings dann alles ganz genau. Er wollte wieder schreien, doch er brachte keinen Laut hervor. Aus vor Entsetzen weit geöffneten Augen stierte er auf den riesigen Kopf, der hinter dem Heck des Bootes wie im Zeitlupentempo auftauchte. Das Maul öffnete sich. Dolchartige Reißzähne standen in unregelmäßigen Abständen hintereinander.
Das Monster gab jetzt keinen Laut von sich.
Der junge Tourist hatte keine Ahnung von der tödlichen Gefahr. Er wandte dem Untier seinen Rücken zu, beugte sich vor und wollte seinem Vater gut zusprechen.
Das Monster sah sich schon um seine Beute betrogen. Blitzartig stieß es den Kopf vor und schnappte zu. Wasserwolken stoben aus den großen Nüstern.
Der junge Mann brüllte auf. Er strampelte, schlug mit den Armen verzweifelt um sich und schrie und schrie.
Lester Carrings war kein Held, das ganz sicher nicht. Doch da war ein Mensch in Lebensgefahr. Er riß einen der Riemen hoch und drosch auf den Kopf des Monsters ein. Immer wieder holte er aus und schlug zu.
Das Monster zeigte keine Reaktion. Dann aber schlug es mit seinem Opfer zu, verfehlte das Ruderboot und schmetterte den jungen Mann auf die
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