095 - Der leuchtende Schlüssel
Daraus ergab sich, daß Hennessey nach Wien hatte fahren wollen.
Das nächste Blatt, das der Chefinspektor in die Hand nahm, war interessanter. Es standen viele Zahlen darauf. Surefoot hatte ein gutes Gedächtnis und erkannte sofort die Zahlen, die in der Bankaufstellung eine Rolle gespielt hatten. Das Papier war sehr abgegriffen und mußte häufig benutzt worden sein.
Smith war erstaunt. Warum hatte sich Mike die Mühe genommen, die Summen der Schecks zu notieren und aufzuheben? Offenbar wußte er etwas von der Bankabrechnung; vielleicht hatte er sie selbst aufgestellt. Wenn sie aber eine Fälschung war, brauchte er doch dieses Stück Papier mit den Zahlen nicht aufzubewahren. Entweder hatte er die Angaben im Moment erfunden, oder er hatte irgendein Buch, in dem er die Fälschung und die wirkliche Summe, die Lynes Bankguthaben ausmachen mußte, eintrug.
In der Frühe des nächsten Morgens telefonierte er mit Mary Lane, die eine unruhige Nacht verbracht hatte.
Die Nachricht, daß ein Polizeibeamter auf dem Korridor vor ihrer Wohnung, ein anderer unten an der Feuerleiter wachte und ein dritter vor dem Haus auf- und abpatroullierte, munterte sie auch nicht auf.
»Kommen Sie bitte zu mir«, sagte sie und atmete erleichtert auf, als sie hörte, daß er sie sofort aufsuchen wollte. Sie brauchte dringend seinen Rat.
Surefoot hatte am Morgen keine weiteren Neuigkeiten erfahren. Eine Durchsuchung von Hennesseys Wohnung war ohne Ergebnis geblieben. Papiere und Dokumente hatte man nicht gefunden, und ein altes Bankbuch sagte ihm auch nicht mehr, als daß Hennessey seit drei Jahren von der Hand in den Mund gelebt hatte.
Er war nicht gerade in der besten Stimmung, als er Marys Wohnung betrat.
»Es sieht tatsächlich so aus, als ob wir moderne wissenschaftliche Methoden anwenden müßten, um weiterzukommen«, meinte er düster, als er ein Päckchen aus der Tasche zog und auf den Tisch legte. »Vielleicht können Sie etwas daraus machen?«
Er öffnete den kleinen Lederbeutel und nahm den Schlüssel heraus, dann zog er den Scheck aus seiner Brieftasche und legte ihn auf den Tisch.
Sie prüfte die Bleistiftnotiz auf der Rückseite und nickte.
»Das ist Mr. Lynes Handschrift. Ich sagte Ihnen schon, daß ich als junges Mädchen in seinem Haus lebte. Ich habe sogar eine Zeitlang seinen Haushalt geführt. Aber das Zusammenleben mit ihm war wirklich nicht angenehm.«
»Warum?«
Sie zögerte.
»Er hatte zum Beispiel seit vierzig Jahren dieselben Kaufleute, bei denen er seine Waren bezog. Er wechselte sie nicht, und trotzdem hatte er dauernd mit ihnen Auseinandersetzungen wegen der Rechnungen.«
Sie nahm den Schlüssel in die Hand und betrachtete ihn.
»Halten Sie es für Selbstüberhebung, wenn ich Ihnen sage, daß ich meiner Meinung nach den Mörder von Mr. Lyne finden kann?«
»Ich würde es für sehr unklug halten, wenn Sie es auf eigene Faust versuchen wollten«, erklärte Smith offen. »Der Mörder ist ein Mensch, mit dem man nicht spaßen kann.«
»Das weiß ich wohl. Aber lassen Sie mir eine Woche Zeit für meine Nachforschungen.«
»Ist es nicht besser, Sie sagen mir jetzt gleich, wen Sie verdächtigen?«
»Nein, dann mache ich mich vielleicht lächerlich, und das möchte ich nicht.«
Smith biß sich auf die Unterlippe.
»Sie können die Sachen nicht behalten -«, begann er.
»Ich brauche sie auch nicht«, entgegnete sie schnell und entschlossen. »Sie meinen doch den Scheck und den Schlüssel? Wäre es aber zuviel verlangt, wenn ich Sie um ein Duplikat des Schlüssels bäte? Sobald ich das dazu passende Schlüsselloch finde, gebe ich Ihnen Bescheid.«
Er sah sie erstaunt an.
»Glauben Sie denn, Sie finden das Schloß?«
Sie nickte.
Surefoot seufzte:
»Solche romantischen Geschichten machen mich krank. Aber ich will Ihren Wunsch gern erfüllen.«
Zwei Tage später erhielt Mary Lane einen nagelneuen Schlüssel und begann ihre Nachforschungen. Sie ahnte nicht, daß sie auf Surefoots Anordnung hin Tag und Nacht von drei Detektiven bewacht wurde.
Am dritten Tag nach der Ermordung Mike Hennesseys stiegen plötzlich die Aktien von Cassari-Petroleum, die in den letzten fünf Jahren zwischen dreiundzwanzig und siebenundzwanzig Schilling geschwankt hatten. Der Nennwert betrug vierzig Pfund pro Aktie. Das Ölfeld lag in Kleinasien, und man hatte immer genug Petroleum gefunden, so daß die Gesellschaft nicht zusammenbrach; aber es war nicht genug, um den vollen Wert der Aktien zu garantieren.
Mary las die
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