095 - Der leuchtende Schlüssel
große Überschrift »Sensationelle Hausse in Cassari-Petroleum« im Handelsteil der Zeitung und rief Mr. Smith an.
»Also Ihrer Meinung nach waren das die Aktien, die Sie damals auf Moran übertrugen?« fragte er interessiert. »Wie hoch wurden sie gestern notiert? Ich habe die Zeitung nicht gelesen.«
Sie waren über Nacht von fünfundzwanzig auf fünfundneunzig Schilling gestiegen, und als Surefoot Smith einen Geschäftsmann in der City anrief, hörte er zu seinem Erstaunen, daß sie bereits auf dreißig Pfund standen und jede Minute höher kletterten. Um den Grund für diese plötzliche Hausse zu erfahren, suchte er einen Bekannten in der Old Broad Street auf, der ihm gewöhnlich über finanzielle Angelegenheiten Informationen gab.
Etwa vor drei Monaten hatte die Gesellschaft eine neue Petroleumquelle angebohrt, und es wurden dauernd neue Bohrtürme errichtet. Allem Anschein nach hatte man unerwartet große Ölmengen gefunden, diese Nachricht aber zunächst unterdrückt, bis die Gesellschaft heimlich alle im freien Handel befindlichen Aktien aufgekauft hatte.
»Sie werden wahrscheinlich auf hundert Pfund steigen, und wenn es Ihnen möglich ist, gebe ich Ihnen nur den Rat, auch Cassari zu kaufen. Sie machen Geld damit.«
»Wer steht denn hinter dieser Hausse?« fragte der Chefinspektor.
Der Börsenmann schüttelte den Kopf.
»Wenn ich versuchen wollte, die Namen auszusprechen, würde ich mir die Zunge abbrechen. Es sind meistens Türken - Effendis, Paschas und so weiter. Sie können die Namen finden, wenn Sie im Börsenjahrbuch nachschlagen. Es sind solide, zuverlässige Geschäftsleute. Fast alle Millionäre, so sicher wie die Bank von England. Diese Hausse ist kein Scheinmanöver. Die Gesellschaft hat in London kein besonderes Büro. Jolman & Joyce sind ihre Agenten.«
Surefoot sprach bei dieser Firma vor. Das Haus war von vielen Leuten belagert, aber er sandte seine Karte hinein und wurde auch sofort von Joyce empfangen.
»Ich kann Ihnen kaum mehr berichten, als auch schon in der Zeitung steht, Mr. Smith. Es sind wenig Aktien auf dem Markt. Der einzige, der in London eine große Menge davon besitzt, ist ein gewisser - Leo Moran.«
18
Für Surefoot war es keine Neuigkeit, daß Leo Moran an Börsengeschäften interessiert war. Moran war gerissen. In diesem Ruf stand er sowohl bei der Bank als auch bei seinen Freunden. Soweit Surefoot ihn kannte, war er unberechenbar; er konnte sehr großzügig gegen andere sein, ließ sich jedoch durch seine Schlauheit häufig dazu verleiten, die Grenze des Erlaubten zu überschreiten. Er mochte ein Mörder sein; ein Fälscher war er bestimmt, außerdem ein egoistischer Junggeselle, der kaum ein anderes Steckenpferd als Schießen und das Theater hatte.
Noch bevor Surefoot Smith das Büro des Maklers verließ, hatte er sich ausgerechnet, daß Moran - wenigstens auf dem Papier - ein Millionär geworden war. Über eins wunderte er sich: Moran hatte dauernd Aktien gekauft, und seine Finanzmanöver erstreckten sich über all die Jahre, in denen er Unterschlagungen begangen hatte. Trotzdem hatte er nur eine verhältnismäßig kleine Summe, nur einen geringen Prozentsatz seines Geldes zum Ankauf der Cassari-Aktien benutzt. Er mußte noch in anderen Aktien spekulieren; Smith konnte sich jedoch im Augenblick darüber keine Gewißheit verschaffen.
Der Chefinspektor kehrte in seine Wohnung am Haymarket zurück und war erstaunt, als er Mary Lane, die ihn besuchen wollte, vor dem Hause fand.
»Ich bin auch eben erst gekommen«, erklärte sie. »Ich habe mich zuerst an Ihren Sekretär gewandt, und der sagte mir, daß Sie wahrscheinlich in Ihrer Wohnung seien.«
Er schloß die Tür auf und führte sie in sein unaufgeräumtes Wohnzimmer.
»Haben Sie etwas herausgebracht?« erkundigte er sich.
Sie schüttelte den Kopf und lächelte verlegen.
»Nein, ich habe bis jetzt nur erkannt, wie beschränkt meine Fähigkeiten als Detektiv sind.«
Sie setzte sich auf den Stuhl, den er ihr anbot.
»Also wollen Sie es aufgeben?«
Sie zögerte einen Augenblick.
»Nein.«
Es kostete sie Überwindung, dieses Nein zu sagen, denn am Morgen war sie schon halb entschlossen gewesen, einen Brief an den Chefinspektor zu schreiben und ihm den Schlüssel zurückzuschicken. Aber während des Frühstücks war dann ihr Selbstbewußtsein zurückgekehrt.
»Nun, was kann ich für Sie tun?«
»Wäre es Ihnen möglich, mir eine Liste all der größeren Schecks zugeben, die Mr. Washington Wirth auf das
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