095 - Rebellion der Regenwuermer
gebrauchte wieder die normale förmliche Anrede, die Vertraulichkeit der vergangenen Stunden war verflogen.
„Ach“, sagte der Mediziner betroffen, „bin ich hier eingeschlafen? Wie spät ist es?“
„Gleich acht. Aber trösten Sie sich, die Männer sind heute alle ein bißchen später auf den Beinen als sonst. Es muß an der nächtlichen Störung liegen. Das Programm ist folgendes: Die Installierung der Abschußrampen für die B- und C- Granaten nördlich des Barabuich-Arazeff. So war es jedenfalls gestern vorgesehen.“
Laparouse nickte zerstreut. „Stimmt. Man weiß ja allerdings nie, ob das heute noch gilt.“
Er machte eine vielsagende Kopfbewegung zum Zelt des Expeditionsleiters hin.
„Doch mir soll es gleich sein. Ich will lieber zuvor noch nach meiner Würmerkassette sehen. Ob da wohl alles in Ordnung ist?“
Er ging in das Arbeitszelt hinüber, um nach wenigen Sekunden mit einem Ausruf des Schreckens zurückzukehren. Er rüttelte den Meteorologen, der am Zelteingang stand, an der Schulter.
„Patoux, sie sind weg!“ stieß er atemlos hervor.
„Wer?“ erkundigte sich Patoux. „Wer ist weg? Die Würmer?“
Dr. Laparouse nickte. „Ja. Das heißt, also dieser Sand natürlich, mein ganzes Probegefäß. Es ist spurlos verschwunden.“
„Hat… hat jemand die Kassette aufgebrochen“, fragte Dr. Patoux gespannt.
Laparouse schüttelte den Kopf und lachte bitter. „Wenn es das nur wäre. Die Kassette ist völlig unversehrt, aber Glas und Sand sind weg. Wie weggezaubert. Und ich kann beschwören, die Schlüssel nicht eine Sekunde aus der Hand gegeben zu haben.“
„Die Sache hätte eine verhältnismäßig einfache Erklärung“, meinte Patoux, „wenn irgendwo noch Nachschlüssel existieren.“
„Das ist aber nicht der Fall“, beharrte der Mediziner. „Diese Kassette gehört mir, und es gibt nur die beiden Schlüssel, die ich hier an meinem Bund habe. Aufgebrochen ist der Behälter nicht, ich habe ihn mir genau angesehen. Außerdem war er ordnungsgemäß verschlossen.“
„Dann haben sie sich selbst befreit“, murmelte Patoux dumpf und sah vor sich hin, ohne Laparouse zu beachten. „Der Gott hat gehandelt. Dum manu kape lwatami laure.“
Laparouse traute seinen Ohren nicht. Er packte seinen Kollegen, der seltsam starr geradeaus sah, beim Arm.
„Was sagen Sie da, Patoux?“ stieß er hervor.
„Der Gott macht sich bemerkbar und schreitet ein“, war die Antwort. „Denn nur er darf entscheiden, wann es regnet. Nicht die Menschen und schon gar nicht der weiße Mann.“
„Und was haben Sie da eben für merkwürdige Worte gebraucht?“ forschte Laparouse weiter.
„Worte?“ Patoux schien völlig ahnungslos. „Ich weiß nicht, was Sie meinen, Dr. Laparouse.“
Der Arzt gab nach. „Schon gut. Vielleicht habe ich mich tatsächlich geirrt. Aber ich werde wohl am besten Legrand von dem Vorfall mit der Sandprobe berichten.“
Patoux sah seinen Kollegen mit einem langen Blick von oben bis unten an. „Sie meinen wirklich?“ fragte er zweifelnd. „Gerade das würde ich nicht tun. Außerdem bin ich sicher, daß er es schon weiß.“
„Natürlich“, bemerkte Laparouse spöttisch. „Er ist ja auch der Mann, der hinter der ganzen Sache steckt. Ich kenne schließlich Ihre Theorien. Jedenfalls werde ich mich auf Sie berufen und ihm sagen, daß Sie Zeuge gewesen sind, wie ich meine Probe in der Nacht weggesperrt habe.“
Patoux verschloß sich sofort. „Ich kann Ihnen nichts bestätigen“, erwiderte er ängstlich. „Ich habe nichts gesehen. Ich werde auch nicht sprechen können. Aber der Teufel kann sprechen, wissen Sie. Er sieht alles und hört alles und weiß alles.“
„Gewiß, das stimmt.“ Laparouse knirschte mit den Zähnen. Es kostete ihn ungeheure Überwindung, gleichmütig zu bleiben. Er wandte sich ab und ging auf das Zelt des Expeditionsleiters zu.
Commandant Legrand legte zwar die ihm eigene distanzierte Überheblichkeit an den Tag, die Laparouse so unsympathisch berührte, aber er zeigte keinerlei Symptome in der von Patoux geschilderten Art. Es sei denn, Laparouse wäre dafür blind gewesen.
Das ebenso merkwürdige wie bestürzende Ereignis bagatellisierte er. Er wischte es im Grunde mit einer Handbewegung vom Tisch.
„So, so“, meinte er nur, „Ihre Bodenprobe mit diesen merkwürdigen Mikrolebewesen also, die sich dann in der Nacht plötzlich zu Schlangen ausgewachsen und Sie im Zelt überfallen haben?“
Seine Blicke waren voller Ironie. „Nun ja, ich
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