095 - Rebellion der Regenwuermer
Sein Ausschlag glich riesigen schwarzblauen Frostbeulen. Wimmernd und mit halbirrem Blick flehte er den Mediziner an, etwas für ihn zu tun. Dr. Laparouse war in einer schwierigen Lage, denn Teufelswürmer und ihre Bißfolgen kannte er nicht, und er hatte dagegen kein probates Mittel zur Hand. So blieb ihm nichts weiter übrig, als seinem Kameraden eine Injektion mit einem schmerzstillenden Medikament zu geben. Der Arzt atmete erleichtert auf, als Patoux tatsächlich schon nach ein paar Minuten stiller wurde und schließlich in einen unruhigen Schlaf fiel.
Dr. Laparouse betrachtete besorgt seine eigenen Arme, als die Zeltleinwand zurückgeschlagen wurde und einer der Techniker den Kopf herein steckte.
„Moutier, was haben Sie?“ fragte der Arzt gespannt, da er nichts Gutes vermutete. Der Gesichtsausdruck des Mannes war verstört.
„Es sind zwei Männer ins Lager gekommen“, berichtete er. „Sie gehören angeblich zu den Harak Dada, einem nomadisierenden Hamitenstamm dieser Region. Sie wirken sehr erregt und scheinen unseren Rat und unsere Hilfe zu brauchen. Leider ist aus ihnen nichts Näheres herauszubringen, denn sie können kaum französisch. Da Sie verschiedene Eingeborenendialekte beherrschen, wünscht Major Legrand, daß Sie sich mit den Leuten unterhalten und herausfinden, was sie auf dem Herzen haben.“
Der Arzt erhob sich, warf noch einmal einen prüfenden Blick auf die beiden Patienten, und folgte dann dem Techniker. Draußen, wo die Fahrzeuge in einer Reihe geparkt waren, sah er zwei magere, in abenteuerliche bunte Lumpen gehüllte Gestalten. Sie wurden von den Expeditionsteilnehmern umlagert. Legrand war merkwürdigerweise nirgends zu sehen.
„Moment!“ Laparouse schob seine Kollegen zur Seite und wandte sich den beiden Ankömmlingen zu. Sie hätten Vater und Sohn sein können. Der ältere war vielleicht knapp fünfzig, wirkte jedoch wie ein hinfälliger Greis mit seinem zahnlosen Mund und der schmutzigbraunen Haut, die wie zusammengeknülltes Papier aussah. Der andere, obschon kaum älter als Mitte Zwanzig, stand ihm äußerlich an Trostlosigkeit nicht viel nach. Es war ein seltsam und zutiefst deprimierender Hauch des Verfalls, der diese beiden Gestalten umgab. Ganz instinktiv fühlte Laparouse dabei, daß dieser nicht allein von der Not herrührte, welche die jahrelange Dürre im Gefolge hatte. Laparouse war hier oft einem Elend begegnet, wie man es sich im Abendland nicht vorstellen konnte. Bei diesen Menschen aber schwang etwas anderes mit, eine finstere Krankhaftigkeit, die bis ins Mark erschauern ließ. Es war so, als kämen diese beiden Figuren geradewegs aus des Teufels Küche.
Laparouse hatte beim zweiten Versuch Glück. Die Männer reagierten auf den verwendeten Dialekt, wodurch eine Verständigungsbasis geschaffen wurde. Dennoch war es in der Praxis nicht so einfach, die beiden zu verstehen, denn es war eine wunderliche und verworrene Geschichte, die sie erzählten. Der Arzt fühlte sich auf das allerhöchste beunruhigt und alarmiert.
Er entnahm den wirren Erklärungen, daß der Stamm, dem die beiden angehörten, hier in der Gegend unterwegs war, und seine Zelte eine halbe Tagesreise entfernt aufgeschlagen hatte. Fast alle Kinder, ein großer Teil der alten und kranken Leute sowie nahezu das gesamte Vieh waren durch die Dürre allmählich umgekommen. Der verbleibende Rest setzte seine Hoffnungen in die Regenmacher.
Nun hätten sich vor wenigen Nächten plötzlich unheimliche Schlangen gezeigt, die nachts über die entsetzten Leute hergefallen wären. Sie hätten einige gebissen und wären dann so plötzlich wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht waren. Einer ihrer Stammesangehörigen sei am nächsten Tag von furchtbar schmerzenden Beulen befallen worden, die nach und nach den ganzen Körper bedeckten. Vierundzwanzig Stunden später war der Mann unter entsetzlichen Qualen gestorben. Der Tote habe sich brandig verfärbt und einen grünlich-gelben Ausfluß aus Mund und Nase aufgewiesen, der einen abscheulichen Geruch hatte.
Sie berichteten weiter, daß sie die Leiche verscharrten und sich dann wieder auf den Weg machten, denn wo ein Toter liegt, soll man nach einer alten Nomadenweisheit nicht bleiben. Das Beunruhigende sei jedoch, daß dieser verstorbene Mann angeblich nicht tot sein sollte, sondern seinen Stamm vielmehr als Geist verfolge. Den Schilderungen nach mußte er furchtbar aussehen, wie eine Kreuzung aus Mensch und Drachenwurm. Sein schrecklicher Rachen verströme
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