095 - Rebellion der Regenwuermer
verantwortlich ist“, erwiderte der Professor. „Doch gehen Sie mir mit dem vielen Wasser, Doktor, das hier angeblich irgendwo liegen soll.“
Laparouse hob den Kopf. „Sie glauben nicht daran, Herr Professor?“
Juillard machte eine wegwerfende Handbewegung. „Möglich, daß es da ist. Aber wir wissen es nicht zuverlässig. Obendrein ist die Förderung meines Erachtens viel zu schwierig. Da ist meine Methode, weiß Gott, die bessere. Ich werde es regnen lassen, Laparouse. Regnen und abermals regnen. Das ausgedörrte Land soll sich vollsaugen wie ein Schwamm, es soll in Monaten nachholen, was es in Jahrhunderten versäumt hat.
Vielleicht vereinigen sich dann die Wasser vom Himmel mit denen …“
„… der Hölle!“ warf Laparouse ein und schmunzelte, doch Juillard fuhr betroffen auf und machte ein ärgerliches Gesicht.
„Wieso der Hölle? Wie kommen Sie darauf?“ fragte er scharf.
„Ach, nur so“, verteidigte sich der Arzt. „Es sollte ein Scherz sein.“
„Sie machen merkwürdige Scherze, Doktor“, entgegnete Professor Juillard ein wenig abweisend.
„Aber wie gesagt, ich sehe alles grünen und blühen und ein Kulturland entstehen. Dort werden Weizen und Baumwolle, Orangen und Äpfel, Wein und Bananen, Melonen und Tabak und vieles andere heranreifen. Man wird zwei oder gar vier Ernten im Jahr haben, und etliche Millionen Menschen finden Siedlungsraum und Heimat.“
„Schön wäre es“, meinte Laparouse, „doch wenn man diese ungeheure kulturfeindliche Fläche Sand betrachtet, hält man es nicht für möglich. Es ist wie das Reservat des Teufels auf Erden.“
„Was haben Sie nur dauernd mit Teufel und Hölle, Doktor?“ sagte Juillard ärgerlich. „Beide kümmern uns herzlich wenig. Und im übrigen, wir werden es schaffen, verlassen Sie sich drauf! Ich werde es allen meinen Neidern und Widersachern schon zeigen, Laparouse! Sie werden noch Bauklötze staunen über den alten Juillard, da gehe ich jede Wette ein.“
Der Professor hatte gestikulierend den Arm gehoben, und Laparouse bemerkte ein winziges kohlschwarzes Mal unter dem Ellenbogen. Es berührte ihn merkwürdig, aber er wußte nicht, warum. Er ließ die Beobachtung in sein Unterbewußtsein versinken.
Laparouse streckte sich. Die Bruchstellen der Beine, besonders die linke, taten immer noch weh. Auch in der Wirbelsäule verspürte er des öfteren einen ziehenden Schmerz, besonders wenn er lange gesessen hatte, noch dazu bei einer so holprigen Fahrt wie dieser. Im allgemeinen konnte er heilfroh sein, die recht schweren Verletzungen seines Pariser Autounfalls so rasch und schnell überstanden zu haben. Wie durch eine wundersame Fügung waren empfindliche Organe unversehrt geblieben.
Die Erinnerung an die Vergangenheit ließ Laparouse nicht ruhen. Zwar hatten sich ihm die Schreckensbilder nicht mehr gezeigt, aber dennoch war die Wachsamkeit des Mediziners keineswegs eingeschläfert. Er spürte fast körperlich nahe eine akute Bedrohung, obwohl er nicht wußte, woher sie kommen sollte. Äußerlich war alles normal und ruhig. Aber gerade das mochte das Gefährliche sein.
Schon der nächste Tag sollte zeigen, wie recht Laparouse mit seinen Vorahnungen hatte.
Das umfangreiche Lager der Expedition wurde am folgenden Tag am südwestlichen Rand der einige hundert Quadratkilometer großen Salzpfanne aufgeschlagen. Der Geologe Dr. Quiper hatte mit seinen Leuten und einem Spezialgerät eine Stelle ausfindig gemacht, an der man Trinkwasser bohren konnte, wenn auch nur unter sehr großen Schwierigkeiten und aus einer beträchtlichen Tiefe. Obendrein entsprach der Platz den Vorstellungen des Professors, der hier seine „Wolken-Artillerie“ installieren und seine Experimente beginnen wollte. Da es den ganzen Tag viel Arbeit gab, kam Dr. Laparouse nicht dazu, sich mit den ihn bedrückenden Gedanken zu befassen.
Um so mehr wurde er ganz plötzlich daran erinnert, als man gegen Abend seine Dienste als Arzt in Anspruch nahm. Der Meteorologe Dr. Philippe Jambert, der in dieser Expedition den gleichen Posten einnahm wie in der anderen Patoux, klagte nach dem Essen über heftige Leibschmerzen und Fieber.
Laparouse war alarmiert, als er den Patienten untersuchte. Zwar wiesen die Symptome auf nichts Außergewöhnliches hin, aber der Mediziner hatte ein ungutes Gefühl, über dessen Grund er sich keine Rechenschaft ablegen konnte. Er ließ sich aber nichts anmerken, verordnete einige Medikamente und empfahl sich mit dem Bemerken, daß die
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