095 - Rebellion der Regenwuermer
Sache wohl am anderen Morgen abgeklungen wäre. Selbst glaubte er nicht daran, und er sollte leider mit seinen Befürchtungen recht behalten.
Als der Arzt vor das Zelt trat, erschrak er. Was war das wieder für ein merkwürdiger Geruch?
Wo, zum Teufel, hatte er denselben schon wahrgenommen? Er zermarterte sich das Gehirn, aber er kam nicht darauf. Es fiel ihm noch ein, daß die Getränke so abscheulich schmeckten. Besonders beim Wein, beim Tee und beim Cognac war es zu spüren. Irgendwie so, als ob sie eine Chemikalie enthielten.
Die Sonne hatte sich gesenkt, und innerhalb kurzer Zeit war es stockdunkel. Die Hitze des Tages wich rasch einer erst angenehmen, später recht empfindlichen Kühle, und die Sterne glänzten am klaren Himmel mit der üblichen Intensität. Während die meisten anderen sich schon schlafen gelegt hatten, hockte Dr. Laparouse immer noch auf einem Klappstuhl vor seinem Zelt. Er teilte es diesmal mit einem Geologen sowie mit einem Kollegen, einem jüngeren Assistenzarzt. Juillard hatte auf der Mitnahme eines zweiten Mediziners bestanden. Laparouse war dies aus mancherlei Gründen nur recht. Gegebenenfalls mußte er nicht wieder die gesamte Verantwortung allein tragen.
Er beschloß, sein Lager aufzusuchen, als er hinter sich einen scharfen Luftzug wahrnahm, der nicht natürlichen Ursprungs sein konnte, denn es war völlig windstill. Als der Arzt hoch blickte, sah er gerade noch etwas riesengroßes Schwarzes, wie eine gigantische Schwinge, die über den Zeltdächern verschwand.
Dann flimmerte es vor dem Mediziner und aus dem Lichtschein schälten sich die Umrisse einer menschenähnlichen Gestalt, in der Laparouse zu seinem Entsetzen den Vampir Molard erkannte. Der Arzt schlug die Hände vors Gesicht und wich zurück, doch das Schreckensbildnis verschwand nicht.
Jetzt sprach sie sogar, die gräßliche Gestalt.
„Warte nur, Laparouse, bald wirst du es erleben! Du hast dich einwickeln lassen und bist blind gegen alles! Er wird dich als Werkzeug benutzen und sie werden kommen und alles vernichten, dich zuerst. Diesmal wird es nicht so glimpflich abgehen wie neulich, paß auf!“
Nach ein paar Sekunden namenlosen Grauens raffte sich der Arzt zu einer Entgegnung auf. „Wer …?“ stieß er keuchend hervor. „Wer… macht das alles? Sag, sprich!“
Doch der Vampir bleckte nur lachend seine abstoßenden Zähne und verschwand. Laparouse war allein.
Sein Herz pochte, und der Atem ging stoßweise.
War er wirklich verrückt und litt unter Halluzinationen, oder war das eben Erlebte Tatsache?
Er blickte vor sich hin und bemerkte eine schemenhafte Gestalt, die hinaus in die Wüste huschte. Sie sah aus wie ein Mensch in gebückter Haltung, der um keinen Preis gesehen werden wollte.
Laparouse verfolgte blitzartig das davon eilende Wesen durch den nächtlichen Sand. Aber so sehr er sich auch anstrengte, er vermochte nicht, die Entfernung zwischen sich und dem Fliehenden zu verringern. Dabei ging ihm jedes Gefühl für Zeit und Raum verloren. Plötzlich gewahrte er den Verfolgten ganz dicht vor sich, kaum fünfzig Meter entfernt, und im Mondlicht erkannte er ihn, es war Commandant Jules Legrand! Im nächsten Augenblick war die Gestalt verschwunden. Laparouse suchte noch eine halbe Stunde im Gelände herum, dann gab er es endlich auf und kehrte zum Lager zurück.
Der Weg war weit, und das Abenteuer hatte lange gedauert. Bei seiner Ankunft wartete eine unangenehme Überraschung auf ihn. Er konnte sich nicht still auf sein Lager stehlen. Kaum betrat er das Zelt, als ihm auch schon ausgerichtet wurde, er möge sich dringend bei Dr. Jambert melden. Dem Meteorologen ginge es sehr schlecht.
Nichts Gutes ahnend, lief Dr. Laparouse rasch hinüber, wo er seinen Kollegen, den jungen Assistenzarzt Dr. Delrieux, und den „Berater“ Legrand am Krankenlager antraf.
„Wo stecken Sie eigentlich nachts? Wir suchen Sie seit Stunden händeringend, mon cher Doctor!“ sagte der Major wütend.
„Ich habe mich zuerst mit dem Vampir unterhalten“, brüllte der Arzt unbeherrscht, „und dann habe ich Sie höchstpersönlich in die Wüste verfolgt, mon Commandant! Ich wollte feststellen, was Sie da draußen treiben! Wie Sie allerdings jetzt hierherkommen, ist mir schleierhaft!“
Legrand verzog angewidert das Gesicht. „Geht dieser verfluchte Blödsinn schon wieder los? Ähnliche Spinnereien haben Sie mir auf der letzten Expedition doch bereits zur Genüge geliefert. Mein Gott, ich begreife den Professor nicht, daß
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