095 - Rebellion der Regenwuermer
unten im Süden begraben.“
Doch Henri Patoux blickte völlig verständnislos. Er mußte keine Erinnerung mehr haben, oder aber ganz einfach nicht mehr derselbe Mensch sein. Vielleicht überhaupt kein Mensch mehr. Das erschien Dr. Laparouse am ehesten wahrscheinlich, denn ihn fröstelte es bei der Berührung des Meteorologen.
Außerdem nahm er wieder diesen Geruch wahr, diesen Höllengeruch, der ihn bis in seine Träume verfolgte, die Ahnung nahen Unheils.
Knapp anderthalb Wochen waren seitdem vergangen. Wochen, in denen sich nichts Augenfälliges ereignete, die Tage vielmehr bemerkenswert ruhig verliefen, angefüllt mit emsiger Arbeit. Aber es war nur die Ruhe vor dem Sturm. Das Unheil arbeitete, gärte und brodelte unter der Oberfläche eines scheinbar glatt funktionierenden Unternehmens. Obwohl alles wie am Schnürchen lief, lag eine ungeheure Spannung über dem Lager. Wie vor einem Gewitter oder einem Vulkanausbruch. Man konnte die Unruhe direkt körperlich spüren oder einfach einatmen. Das Gespenst war da und griff mit seinen langen dürren Fingern nach den Herzen und Sinnen der Männer, ohne daß es ihnen bewußt gewesen wäre.
An einem Mittwochnachmittag war es dann soweit. Professor Juillard würde seine erste Kanonade beginnen.
Dr. Laparouse hatte bewußt darauf verzichtet, mit an Ort und Stelle zu fahren, zumal er ja in seiner Eigenschaft als Arzt dort auch nicht gebraucht wurde. So war er einer der wenigen, die während der Aktion im Lager zurückgeblieben waren. Er hatte das sichere Gefühl, von hier aus sogar die Situation besser im Auge behalten zu können.
Er saß in seinem Arbeitszelt und befaßte sich mit Problemen in Bezug auf die seltsamen Vorgänge um Jules Legrand, und das Wiederauftauchen des lebenden Toten Dr. Patoux. Er hatte da bestimmte Theorien und Ideen entwickelt, von denen er natürlich nicht sicher sein konnte, ob sie ihn auf den richtigen Weg führten. Zur Untermauerung seiner Thesen studierte er einige Fachbücher über einschlägige Themen, die er mit Vorbedacht in Paris ausgewählt und seinem Gepäck beigefügt hatte.
Dann begann er, einige Sandproben zu untersuchen, die er in der Umgebung genommen hatte.
Er besprühte den Sand mit Wasser, aber merkwürdigerweise waren keine Würmer zu entdecken. Vorsichtshalber wiederholte er den Test nochmals nach stärkerer Befeuchtung. Aber auch in dem jetzt schon recht nassen Sand zeigte sich nichts.
Allerdings glaubte er, plötzlich eine gewisse Bewegung festzustellen, wie ein Drehen und Kreisen. Laparouse runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. Dann drückte er das Auge wieder an die Linse.
Jetzt formte sich sogar so etwas wie eine Gestalt, aber immer zerfloß sie wieder, ehe man sie erkennen konnte. Laparouse hätte allerdings schwören mögen, hier die Gesichtszüge von Molard und abermals von Legrand gesehen zu haben.
Verdammt auch, Legrand, Legrand und abermals Legrand – immer wieder tauchte dieser Mann unter stets unangenehmen und völlig rätselhaften Begleitumständen auf und kreuzte seinen Weg. Den vorgeblichen Abwehroffizier umgab irgendein Geheimnis, das war klar, und Laparouse hatte jetzt ernsthafte Zweifel, ob er überhaupt der Mann war, für den er sich ausgab. Am Ende hatte er sich der Person des echten Commandant Legrand bemächtigt und sie ausgeschaltet, um in der Tarnkappe seiner Erscheinung um so ungestörter operieren zu können?
Laparouse führte sich jetzt auch wieder die Absonderlichkeiten vor Augen, die er an Professor Juillard beobachtet hatte. Wer konnte sagen, ob der Unheimliche sich nicht auch schon an den Professor herangemacht hatte, um seine Persönlichkeit zu untergraben und umzuwandeln, und ihn eventuell in seine finsteren Pläne einzuspannen? Schließlich war Juillard nicht irgendwer, sondern eine wichtige, im Grunde die Schlüsselpersönlichkeit bei den gesamten Vorgängen?
Laparouse wandte sich wieder den Büchern zu.
Nach einiger Zeit jedoch war er des Studierens und Experimentierens müde und entschloß sich, noch ein klein wenig frische Luft zu schöpfen.
Er trat vors Zelt und blickte sich um. Das Lager machte einen absolut verlassenen Eindruck, denn außer ihm waren nur noch der Koch und ein Mechaniker und Fahrer anwesend, von denen er außerdem im Moment weit und breit nichts sah. Da die Gegend hier völlig einsam war und es über viele Hunderte von Kilometern keine menschliche Ansiedlung gab, war eine Bewachung des Lagers überflüssig.
Laparouse blickte nach Westen,
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