0953 - Der Vampirwolf
des Mannes zitterte wie ein alter Lappen. Dragan bekreuzigte sich und hörte im selben Augenblick, als sein Hand sich noch in Bewegung befand, das Knurren.
Es war ein unheimlicher, ein drohender und auch ein gefährlicher Laut, der ihm da aus dem Nebel entgegenwehte und ihn zweimal zu vereisen schien. Von innen und von außen.
Noch hatte er den Schatten nicht wieder gesehen, das Knurren aber bewies ihm, wie nahe er schon da war.
Dann sah er ihn.
Er schob sich aus einer Nebelwolke hervor, als wären unsichtbare Hände dabei, ihn weiter nach vorn zu drücken. Er bewegte sich auf leisen Pfoten, aber trotz des Dunstes war zu erkennen, wie kompakt und stark sein Körper war.
Eine Masse Tier, von einen dämonischen Odem am Leben erhalten, auf der Suche nach Blut und nach Opfern.
Der einsame alte Mann wagte nicht mehr, sich zu rühren. Er stand auf dem Fleck, die Angst schien ihn festgenagelt zu haben. Er war auch nicht mehr in der Lage, die Tür zu öffnen und in die kleine Kirche zu flüchten, dieser langgestreckte Wolfsschatten hielt ihn in Schach. Und die Bestie näherte sich langsam. Sie ließ sich Zeit, als wollte sie seinen Schrecken genießen.
Dragan konnte nur noch hecheln. Die Angst machte ihn fast verrückt. Sein Herz schlug wild in der Brust, er hatte nur Augen für dieses dämonische Killergeschöpf, das sich zwar weiterhin nach vorn bewegte, bei dem allerdings etwas geschah, daß der Pope zuerst für eine Täuschung hielt. Bei genauerem Hinsehen mußte er jedoch feststellen, daß er sich nicht geirrt hatte.
Das Gesicht des Wolfes veränderte sich. Und es war keine Täuschung durch den Nebel, diese Veränderung trat tatsächlich ein, denn die lange Schnauze verkleinerte sich und schob sich regelrecht zurück. Auch glitt das Fell aus dem Gesicht, so daß menschliche Züge zum Vorschein kamen.
Die Augen blieben, doch die aus dem Oberkiefer hervorragenden Zähne leuchteten wie zwei Todesboten, und Dragan wußte genau, daß die Bestie ihn nicht zerreißen würde, sondern jetzt als Vampir nur sein Blut wollte. Zum Teil war der Körper des Wolfes noch vorhanden, aber dieser Gestalt gelang es nun, sich auf die Hinterbeine zu stemmen und den Weg beinahe wie ein normaler Mensch fortzusetzen.
Nicht nur den Anblick der beiden Vampirzähne empfand der Pope als schlimm, das übrige Gebiß war es auch, denn es bestand aus einer Reihe von Reißzähnen, wie sie eben auch zu einem Raubtier paßten.
Er kam noch näher.
Er knurrte nicht mehr. Dafür verließ diesmal ein Zischen sein weit offenstehendes Maul.
Noch einige Schritte. Dann der Sprung!
Jetzt hätte Dragan schreien müssen, doch er war und blieb erstarrt. Seinen Rücken hatte er gegen die Kirchentür gedrückt, die ihm eine Sicherheit gab wie eine Wand, denn von allein öffnete sie sich nicht.
Samescu wußte nicht, ob er von einem Wolf oder von einem Vampir angesprungen wurde. Krallen und Hände zugleich gruben sich in Höhe der Schulter in den Stoff der Soutane ein.
Vor seinen Augen sah Dragan das Gesicht der Bestie. Für ihn war es eine schreckliche Fratze, aus deren Maul ihm ein stinkender Wind entgegenwehte.
Dann biß die Bestie zu.
Etwas hackte in den Hals des Mannes. Er spürte zuerst die Stiche, aber der Vampirwolf beließ es dabei nicht. In ihm tobten der Blutsauger und der Werwolf, zwei schwarze Seelen lebten in seinem Körper zusammen, wobei die eine Kraft die andere nicht ausschalten konnte. Er benahm sich wie ein Vampir und ein Werwolf zugleich, und Dragan Samescu starb einen fürchterlichen Tod…
***
Das Licht des Tages sickerte nur langsam durch den Dunst, der sich nicht oder kaum aufgelöst hatte.
Die Schatten der Nacht waren verschwunden, und es schien so zu sein, als wäre jemand dabei, allmählich einen großen Vorhang zur Seite zu ziehen.
So wurde auch allmählich die Umgebung des kleinen Ortes hervorgehoben, die Bergkette die hinter dem Dunst nur als grauer Schatten zu erkennen war. Die Spitzen lagen frei, doch in den Tälern staute sich noch der Dunst. Er bedeckte auch die dichten Wälder. An manchen Stellen sah es so aus, als wäre die Erde dabei, immer mehr Dunst aus ihren Tiefen ins Freie zu speien.
Eine stille Bergwelt irgendwo in den Karpaten, zu der auch ein kleines Dorf gehörte, in das sich die Stille eingenistet hatte. Nicht ein Hund bellte, es jaulte auch keine Katze. Die bedrückende Ruhe lag über den Häusern wie ein dichter Schwamm, der alles auf saugte.
Kein Mensch zeigte sich im Freien. Nicht eine Haustür
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