0953 - Der Vampirwolf
sich die Gicht bei ihm immer weiter vorfraß. Irgendwann würde er steif und krumm sein, aber so lange lebte er nicht mehr.
Die Kerzenflamme umspielte weiterhin den Docht, als sich der Pope dazu entschlossen hatte, den kleinen Raum zu verlassen. Draußen würde es ihm kaum besser gehen, aber er würde zumindest hören können, wenn sich ihm etwas näherte.
Darauf war er gespannt. Die vier jungen Männer würden sicherlich zu ihm kommen, um ihm von ihren Erfolgen zu berichten. So etwas tat dann besonders gut.
Mit sehr kleinen Schritten entfernte er sich von der Kirche und blieb auf dem freien Platz davor stehen.
Dragan lauschte. Aber die Nacht blieb still. Sie erbarmte sich seiner nicht. Sie behielt die Geräusche für sich. Nicht mal der Schrei des Kauzes drang an seine Ohren.
Und doch traute Dragan dieser Stille nicht. In ihr hatte sich etwas festgesetzt, das so einfach nicht zu stoppen war. Es bewegte sich durch sie hindurch, es war gefährlich, tödlich und teuflisch.
Hatten sie auch alles richtig gemacht? War die Versiegelung der Kiste durch das Kreuz nicht genug gewesen?
Ihm kamen Zweifel.
Sie nagten an ihm, als hätten sich Ratten mit ihren scharfen Zähnen dort festgebissen.
Etwas stimmte nicht.
Er konnte sich dabei ruhig auf sein Gefühl verlassen. Im Dorf selbst rührte sich nichts. Auch vom Friedhof vernahm er keine Geräusche. Hinzu kam der Dunst, der vieles schluckte, doch das alles wollte er nicht als Ausrede gelten lassen.
Die Fehler lagen höchstwahrscheinlich auf seiner Seite. Der Pope stellte fest, daß er sich zu weit aus dem Schutz der Kirche entfernt hatte, deshalb bewegte er sich wieder auf die dunklen Außenmauern des Gebäudes zu, um ihren Schatten zu erreichen.
Er lenkte seine Schritte auf die Tür zu, was er automatisch tat, denn dieser Bau war zu seiner Heimat geworden. In der kleinen Kirche selbst fühlte er sich gut und auch beschützt.
Auch in dieser Nacht?
Samescu erreichte die Tür und legte seine Hand auf die schwere Klinke. Er drückte sie noch nicht nach unten. Etwas ins seinem Innern zwang ihn dazu, noch abzuwarten, denn irgendwo vor ihm in der nebligen Finsternis lauerte etwas.
Er sah es nicht.
Er hörte es nicht.
Er spürte es nur!
Plötzlich überkam ihn ein Gefühl der schrecklichen Gewißheit. Etwas setzte sich im Kopf des alten Mannes fest. Er hatte mit seinen Helfern über den eigenen Tod gesprochen, das war schon richtig, doch in dieser Nacht waren andere gestorben.
Vier Männer.
Seine Helfer!
Der Pope erkannte dies mit brutaler Gewißheit, obwohl ihm niemand etwas gesagt hatte. Es stand für ihn einfach fest. Er war an der Stelle angelangt, wo er Botschaften empfangen konnte, und diese neue hatte er auch aufgenommen.
Plötzlich fing er an zu zittern. Er dachte an seinen eigenen Tod, vor dem er sich nicht fürchtete.
Aber mehr vor dem Sterben selbst, denn sehr oft war es grauenhaft und menschenunwürdig.
Der Nebel, die Dunkelheit der Nacht - und die Bewegung!
Sie war da, er hatte sie genau gesehen, und sie gehörte einfach nicht in den normalen Kreislauf hinein. Es war auch keine Täuschung durch den wallenden Dunst, diese Bewegung war fließend gewesen und hatte einem über den Boden hinweghuschenden Schatten geglichen, der sich in eine bestimmte Richtung hin bewegte.
Er glitt auf die kleine Kirche zu, was Dragan Samescu nicht einmal beunruhigte, aber dieser Schatten würde, wenn er seine Richtung beibehielt, zu ihm kommen.
An der Tür.
Ihn zerreißen, ihn töten!
Und plötzlich kam es dem Popen vor, als wären ihm von irgendeiner Seite die Augen geöffnet worden. Er öffnete den Mund, sprach aber kein Wort, denn ihm war zugleich der Fehler vor Augen geführt worden.
Die Bestie war frei!
Die Kiste war nicht gut genug gesichert gewesen. Die Bestie hatte sich befreien können und irrte nun durch die Nacht. Sicherlich waren seine vier Helfer davon überrascht worden, aber das alles konnte Dragan egal sein, von nun an ging es um sein Leben.
Bisher hatte er in der Stille gestanden und nur seinem eigenen Atem gelauscht. Auf einmal vernahm er das andere Geräusch, das er so verdammt gut kannte. Er hatte es oft genug gehört, als die Bestie noch in der Hütte eingeschlossen gewesen war. Da aber hatten ihn das Holz der Kiste und das Gitter geschützt.
Nun gab es da nichts mehr!
Das Tier war da. Das dämonische Tier. Eine widerliche Mutation, die nicht so einfach zu töten war und die Zeiten überdauern konnte, falls es genug Opfer fand.
Der Mund
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