0953 - Der Vampirwolf
nicht ablenken. Sie schrieb ein Blatt voll und auch ein zweites.
Dann erst war sie zufrieden.
Sie holte aus dem alten Schrank etwas Hanf, den sie um die beiden ineinandergeschobenen Rollen band. Anschließend dachte sie über ein Versteck nach.
Die Schriften sollten auf keinen Fall Fremden in die Hände fallen. Keine Soldaten, keine Söldner und Mordbrenner. Wenn sie gefunden wurden, dann hoffentlich von jemandem, der etwas damit anfangen konnte. Deshalb kam die alte Truhe, die sie besaß, als Versteck nicht in Frage.
Jovanka mußte sich etwas anderes einfallen lassen. Sie war eine Frau mit Ideen. Die Kirche eignete sich ebenfalls nicht, weil sie oft genug geplündert wurde, aber in ihrem Haus befanden sich keine Reichtümer. Sollte es nicht abgebrannt werden, so bestand die Hoffnung, daß auch die Botschaft überlebte.
Jovanka versteckte die beiden Rollen, um die sie noch Tierhaut gewickelt hatte, in die Lücke zwischen zwei Dachbalken des Hauses. Dieser Versteck schien ihr am besten geeignet zu sein. Mehr konnte sie wirklich nicht tun. Nur noch darum beten, daß diese Botschaft von der richtigen Person gefunden wurde.
Jovanka erzählte niemandem davon. Sie nahm ihr Geheimnis mit in den Tod, der sie knapp ein Jahr später erreichte. Bei einem starken Gewitter wurde sie vom Blitzschlag erwischt und getötet.
Die Zeiten aber gingen dahin…
***
»Frag mich mal, ob wir beide noch alle Tassen im Schrank haben«, sagte Suko und fluchte, weil der Rover auf dem mit Schlaglöchern übersäten Weg zu stark schaukelte.
Ich hielt das Lenkrad gut fest und antwortete mit einer Gegenfrage. »Was sollte das für einen Sinn haben?«
»Kommst du dir nicht verarscht vor?«
»Noch nicht.«
»Dann ist dir nicht zu helfen.«
Ich mußte grinsen und schaute auf den dunklen Waldrand, der sich wie eine dunkle Mauer an der linken Seite entlangzog und kaum Lücken zeigte. Dafür war die rechte Seite frei, denn sie bestand aus einem weiten, freien Feld, auf den das Licht des Halbmondes scheinen konnte, weil der Himmel klar war.
»Eigentlich müßtest du dich ebenfalls mit einbeziehen«, sagte ich. »Du hättest ja zu Hause bleiben können.«
Suko nickte und seufzte. »Hätte ich.«
»Und warum sitzt du jetzt neben mir?«
»Weil man dich ja nicht allein fahren lassen kann. Jemand muß ja den Babysitter spielen.«
»So siehst du das?« Ich griente. »Den letzten Fall habe ich auch ohne dich geschafft.«
»Aber nur knapp, sonst hätte dich dieser Dr. Sensenmann gehabt.«
»Knapp, aber immerhin.«
»Schon okay. Du bist nicht zu belehren. Andere Frage: Wie weit müssen wir noch durch die Kälte rollen?«
»Im Wagen ist es doch warm.«
»Klar. Nur denke ich daran, daß wir irgendwann aussteigen.« Suko schaute auf die Uhr am Armaturenbrett. »Vier Minuten vor Mitternacht. Wir sind in der Zeit.«
»Okay, wenn du das sagst, können wir ja stoppen.«
»Ich habe nichts dagegen«, erwiderte er und gähnte ausgiebig.
Das konnte ich mir vorstellen. Auch ich hätte lieber im Bett gelegen, als mich in dieser kalten Nacht auf dem freien Feld herumgetrieben, aber Bett ist Bett, und Job ist Job.
»Du kannst mich ja wecken, wenn es losgeht«, bat mich mein Freund. Da hatte ich den Wagen bereits ausrollen lassen. »Ob es etwas bringt, wenn wir hier mitten in der Nacht in der Kälte stehen, ist auch noch fraglich«, fügte mein Freund hinzu.
Im Prinzip hatte er mit seiner Kritik nicht so unrecht. Es stand noch in den Sternen, ob wir die Fahrt umsonst gemacht hatten oder nicht. Aber jemand wollte uns eben an dieser einsamen Stelle treffen, und dieser Jemand war nicht irgendeine Person, sondern Morgana Layton, die Werwölfin.
Oder war sie mehr Mensch? Vielleicht beides? Jedenfalls hatte ich sie als eine schillernde Figur erlebt, die sich durch nichts von ihrem Weg abbringen ließ. Sie ging hin, und es war ihr egal, ob sich Hindernisse auftürmten oder nicht.
In einem aber unterschied sie sich auf keinen Fall von anderen Dämonengrößen. Sie wollte Macht.
Sie wollte herrschen. Sie war diejenige, die unter der Aufsicht des Götterwolfes Fenris all die Werwölfe auf Erden zusammenführen wollte, um einen Machtfaktor gegen Wallmann und seine Vampirwelt zu bilden.
Zwei Dämonen, ein Ziel.
Aber der eine gönnte dem anderen nichts. Keinen noch so kleinen Sieg, keinen Fußbreit Boden. Da waren sie nicht auf eine Linie zu bekommen. Entweder alles öder nichts.
Das war unsere Chance, denn wir bekämpfen beide. Und gegen Morganas Wölfe
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