0953 - Der Vampirwolf
hatten wir auch schon oft genug vorgehen müssen. Natürlich war sie keine Freundin von uns. Daß sie sich aber an uns gewandt hatte, mußte für sie so etwas wie eine Kehrtwendung gewesen sein. Dafür gab es sicherlich schwerwiegende Gründe, und ich glaubte zudem nicht, daß man uns geblufft hatte.
Als Treffpunkt war Mitternacht vereinbart worden, und der große Zeiger der Uhr näherte sich der Zwölf. Suko hatte tatsächlich die Augen geschlossen. Schlafend hockte er neben mir. Ich mußte daran denken, wie ich die Nachricht erhalten hatte.
Per Telefon.
Bei Anruf Werwolf!
Morgana Layton hatte nicht viele Worte gebraucht und mir nur erklärt, wo sie uns treffen wollte. Sie hatte bewußt in der Mehrzahl gesprochen, so hatte ich Suko also mitbringen sollen.
Es würde ein verdammt harter Kampf werden, das hatte sie noch hinzugefügt und von einer großen Überraschung gesprochen, auf die ich natürlich gespannt war.
Ich hatte den Wagen etwas schräg gestellt. Mit der Schnauze wies er zum Feld hin, während sich hinter uns die dunkle Wand des Waldes aufbaute. Einen Teil davon konnte ich im Rückspiegel sehen. Der Rovers war nicht mit einer Standheizung ausgestattet, einen derartigen Luxus gestand man uns nicht zu, und es war nur eine Frage der Zeit, wann die Kälte auch in unsere Knochen kriechen würde.
Dieser Winter hatte es in sich. Er war nicht schneereich, aber dafür kalt. Im Osten lagen die Hochdruckgebiete, die Kälte und auch Wind brachten. Wäre er nicht gewesen, hätten wir die Kälte besser vertragen können, so aber biß sie schon durch die dickste Kleidung.
Das Wetter paßte allerdings nicht. Eigentlich hätte der volle Mond am Himmel stehen müssen, um richtige Werwolfverhältnisse zu haben. Statt dessen sah ich nur den halben, aber ziemlich aufgebläht. Ich kam nicht umhin, ihm hin und wieder einen Blick zuzuwerfen, denn oft genug hatte ich den Schatten des Götterwolfes Fenris gesehen, bevor Morgana Layton erschien. Er war nicht nur ihr Beschützer, sondern auch ihr Ankündiger, und auch zu dieser mitternächtlichen Stunde rechnete ich damit.
Er tauchte nicht auf.
Auch von der Wölfin sah ich nichts. Vor mir lag das winterlich erstarrte Feld. Es hätte eigentlich dunkel sein müssen, aber der Frost lag auf den Gewächsen und hatte sie mit einer silbrigen Schicht auf Rauhreif überzogen. Hinzu kam der knochenhart gefrorene Boden der scharfe Wind und der beinahe wolkenlose Himmel, der über uns schwebte wie eine gewaltige Platte, die keinen Anfang und kein Ende zu haben schien. Sie war einfach da, und man hatte zahlreiche Löcher in sie hineingebohrt, um das Funkeln der Sterne sehen zu können.
Der Blick auf die Uhr zeigte mir, daß Mitternacht vorüber war. Schon zwei Minuten war der neue Tag alt. Morgana gehörte nicht eben zu den pünktlichsten Personen.
Neben mir bewegte sich Suko. Er öffnete ein Auge und schielte mich an.
»Ist sie da?«
»Noch nicht.«
»Wenn sie uns draufgesetzt hat, ziehen wir ihr das Fell lang.«
»Und wenn sie sich als Mensch zeigt?«
»Dann eben etwas anderes.« Suko wollte die Augen wieder schließen, dazu ließ ich ihn nicht kommen, denn ich hatte die Wölfin entdeckt. Sie war plötzlich da, als wäre sie vom Himmel auf die Erde gefallen.
»Bleib ruhig wach, Alter!«
»Ist sie da?«
»Ja.«
»Wo?«
Er sah es selbst, denn Morgana Layton stand plötzlich vor dem Wagen und hatte ihre Hände auf die Kühlerhaube gestützt. Wahrscheinlich hatte sie sich im Wald versteckt gehalten und war erst aus ihm hervorgetreten, als sie es für richtig hielt.
»Na ja«, sagte er nur. »Nett sieht sie aus.«
Das konnte ich nicht unterstreichen, zudem war es spöttisch gemeint. Morgana zeigte sich zur Hälfte als Wölfin und zur anderen Hälfte als Mensch.
Ihr Körper gehörte zu dem einer Wölfin, abgesehen von den Armen, die so aussahen wie die einer normalen Frau. Ansonsten aber hatte sie einen pelzigen und haarigen Körper, und anstelle ihrer Füße sahen wir dicke Pfoten oder Krallen.
Sie lächelte. Das braune Haar wurde vom Wind bewegt, und so etwas wie Kälte spürte sie nicht.
Ich gab ihr ein Zeichen, hinten einzusteigen. Morgana nickte und setzte sich in Bewegung. Sie kam um den Wagen herum, öffnete die Tür, so daß zuerst nicht sie, sondern ein Schwall kalter Luft in den Rover hineinfuhr.
»Es zieht«, sagte Suko.
Sie lachte und schloß die Tür.
Wir hatten uns gedreht. Mir zuckte es in den Fingern, meine Beretta zu ziehen, aber ich hatte ihr
Weitere Kostenlose Bücher