0953 - Der Vampirwolf
versprochen, daß es für die Dauer unseres Gesprächs keine Feindschaft geben würde, das hatte sie sich auch ausbedungen, und daran wollten wir uns halten.
Morgana Layton strahlte einen ungewöhnlichen Geruch ab. Mir gefiel er nicht. Er war auch kaum zu beschreiben, denn er hatte etwas Strenges oder Eisiges an sich. Zumindest roch so kein Mensch, aber das war die Person auch nicht mehr, die mir vor Jahren zum erstenmal in Deutschland, im Schwarzwald, begegnet war. Sie hatte die Funktion des Lupina übernommen und sah sich jetzt als Köchin der Wölfe an.
»Gefällt euch der Treffpunkt?« fragte sie.
»Ein bißchen kalt«, sagte Suko. »Du solltest dich mit dem beeilen, was du zu sagen hast.«
»Das ist eine Menge.«
»Dann fang an.«
»Wie geht es eigentlich eurem Freund Dracula II?« erkundigte sie sich. »Habt ihr etwas von ihm gehört?«
»Nein, schon lange nicht mehr. Er wird in seiner Vampirwelt hocken und sich vorstellen, daß er dich auf dem Bratrost liegen hat.«
Sie lachte schrill und schnappte dabei wie ein Tier mit ihrem Mund auf und zu. »Ich weiß es nicht, aber es kann sein, daß er die gleichen Probleme hat wie ich.«
»Mit denen du zu uns kommst?« fragte ich.
»Im Augenblick schon.«
»Und warum tust du das? Kommst du allein nicht mehr zurecht, Morgana?«
»Das will ich nicht sagen, Sinclair, aber was sich da getan hat, das können weder Mallmann noch ich akzeptieren.«
»Wir hören.«
»Es geht um eine Gestalt, die einige hundert Jahre alt ist. Als ein sagenumwobenes Monstrum würdet ihr es bezeichnen. Ein jeder hat eigentlich gedacht, daß es nicht mehr existiert, daß dieses Monstrum eine Legende ist, aber leider ist es das nicht. Es hat sich nur immer versteckt gehalten, aber nun kam es zum Vorschein. Es ist wieder da.«
»Und wer ist er?« fragte Suko.
Wir hatten uns beide auf unseren Sitzen gedreht und schauten Morgana von zwei verschiedenen Seiten an. »So genau kann ich das nicht sagen«, erklärte sie uns ein wenig triumphierend. »Er paßt weder in die rechte noch in die linke Schublade.«
»Dann steck ihn doch in die Mitte«, schlug Suko vor.
»Da hast du gar nicht mal so unrecht, Suko. Die Mitte paßt wirklich, denn er ist weder das eine noch das andere.«
»So etwas Ähnliches haben wir vorhin schon gehört.« Ich winkte ab. »Kannst du nicht konkreter werden?«
»Das will ich. Dieses Wesen ist weder ein Werwolf noch ein Vampir. Es ist beides.«
»Bitte?«
»Ja, Sinclair. Es ist sowohl Werwolf als auch Vampir. Es ist ein Vampirwolf.«
Wir schwiegen, schauten uns an. Suko runzelte die Stirn, hob die Schultern und hielt sich ansonsten zurück. Auch mir schossen zahlreiche Gedanken durch den Kopf, mit denen ich allerdings kaum fertig wurde. Ich schaffte es nicht, sie in eine konkrete Richtung zu lenken, stellte mir aber schon vor, wie ein derartiges Wesen - vorausgesetzt, es existierte tatsächlich - wohl aussah.
»Das ist für euch überraschend, nicht wahr?«
»Stimmt«, gaben wir Morgana gegenüber zu.
»Es stammt nicht von hier.«
»Sondern?« fragte ich.
»Aus Rumänien, und es hat schon zu Zeiten des alten Vlad Dracula existiert.«
»Dann kannte er es?«
Sie hob die Schultern. »Ob er es kannte oder nicht, weiß ich nicht. Aber die Menschen in den einsamen Karpatendörfern kannten den Vampirwolf. Sie fürchteten ihn auch. Sie waren einfach voller Angst. Sie wußten um die alten Geschichten, und sie wußten auch, daß es vor den Menschen bereits die Wölfe gab.«
»Aber sie haben diese Bestie nicht vernichten können?« fragte Suko.
»Nein.«
»Weiter!«
»Sie ist wieder da!«
»Wo?«
»Möglicherweise hier, John Sinclair.«
Ich schaute in Morganas Gesicht, um herauszufinden, ob sie log oder nicht. Leider hielt sie sich bedeckt, es war nichts zu sehen, und ich schüttelte den Kopf.
»Glaubst du mir nicht?«
»Es ist schwer, dir zu glauben.«
»Was stört dich?«
»Daß er hier sein soll, denn du hast von den Dörfern in den Karpaten gesprochen.«
»Das stimmt alles, davon habe ich auch geredet. Aber er kann durchaus eine Reise gemacht haben.«
»Was sollte er da für ein Motiv haben?«
Sie lächelte. »Er sucht jemanden. Wahrscheinlich einen Partner oder eine Partnerin. Aber ich möchte ihn nicht. Ich hasse ihn. Er ist mir zu sehr Vampir, obwohl Vampire und Werwölfe letztendlich blutsverwandt sind.« Sie mußte über ihren eigene Satz lachen und fuhr dann fort: »Ich will ihn nicht, und ich will auch nicht, daß ihn ein anderer bekommt und
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