0953 - Der Vampirwolf
glauben sollen oder nicht. Für mich ist es wirklich die einzige Erklärung für diese Taten, die heute passiert sind. Der Vampirwolf hat überlebt, und er hat sich versteckt gehalten. Er zeigt sich zwar noch immer nicht, aber er hinterläßt eine verdammt grausame und blutige Spur.«
Nägele nickte. »Ja - leider. Es sind fünf Tote bisher, und ein Ende ist nicht abzusehen.«
»Genau.«
»Dann werden Sie ihn jagen?«
Marek nickte. »Das habe ich mir vorgenommen, und ich überlege auch, ob ich mir nicht Hilfe von meinen Freunden aus London hole. Aber das möchte ich abwarten.«
Wieder nickte Nägele. Dann sagte er: »Er muß sich, so meine ich, hier in der Nähe aufhalten.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Das ist ganz einfach. Die Leichen haben wir alle hier auf oder in der Nähe des Bahnhofs gefunden. Er wird sein Versteck in den Wäldern verlassen haben, um sich in bewohnteren Gegen den auszutoben, behaupte ich mal. Ob ich recht damit habe, weiß ich nicht, aber es ist immerhin eine Spur. Außerdem hat er sich ein recht günstiges Gelände ausgesucht. Hier kann er töten, hier findet er Opfer, aber er hat hier auch die entsprechende Deckung, um sich zu verstecken. Wir schauen uns diesen Bahnhof mal an. Er ist weit verzweigt. Von hier fahren die Züge in alle Herren Länder, und ich will nicht immer wissen, was sich in den Waggons befindet. Aber das ist zweitrangig. Für uns muß nur zählen, daß wir die Bestie erwischen.« Er fügte noch den Namen hinzu und schüttelte den Kopf.
»Was haben Sie gegen einen Vampirwolf?« fragte Marek.
»Nichts, im Prinzip. Aber ich habe weder an Vampire geglaubt, noch an Werwölfe. Und, wenn ich jetzt mit einer Mischung zwischen beiden konfrontiert werde, komme ich damit erst recht nicht zurecht. In meiner Eigenschaft als Polizist. Menschlich sehe ich das durchaus anders.«
»Warum?«
»Ich habe zu unterscheiden gelernt. Man muß hin und wieder unkonventionelle Wege gehen, um einen Erfolg zu haben. Und man muß schweigen können.«
»Was Sie getan haben?«
»Ja, denn es geht auf meine Kappe, daß Sie hier sind, Marek.« Er griff in seine Jackentasche und holte eine Flasche hervor, die mit einer gelblichen Flüssigkeit gefüllt war. Er drehte den Deckel auf, und Marek konnte den warmen Schnaps bereits riechen, denn süßlich scharfer Geruch wehte in seine Nase.
»Wollen Sie einen Schluck?«
»Was ist das?«
»Kräuterlikör von einem befreundeten Bauern. Wenn sie den trinken und anschließend einen Vampir anhauchen, dann flüchtet der sofort.«
»Dann nehme ich einen.«
»Wohl bekomm's«, sagte Nägele und reichte Marek die Flasche. Der roch erst, dann setzten er die Öffnung gegen die Lippen, trank einen Schluck und schluckte ihn.
Der Kommissar beobachtete ihn gespannt. Er war beinahe enttäuscht, daß sein Gegenüber als Reaktion nur ein Nicken zeigte. »Gut«, sagte er dann.
»Mehr nicht?«
»Nein.« Marek grinste, denn er wußte genau, worauf der andere hinauswollte. »Ich gehöre selbst zu den Leuten, die hin und wieder einen gesunden Schluck brauen. Fremden heben sich schon mal die Zehennägel, aber ich habe eine Kehle und einen Magen aus Leder, da kann man schon was vertragen.«
»Ja, das meine ich auch.« Nägele nahm ebenfalls einen Schluck. Im Gegensatz zu Marek mußte er sich schütteln, war aber der Meinung, daß es ihm trotzdem gutgetan hatte.
Frantisek stand auf. »Ich denke mal, wir sollten hinaus in die Kälte gehen. Schließlich möchte ich den Toten sehen. Bisher habe ich mich nur anhand der alten Aufzeichnungen orientieren können.«
»Sofort, Marek. Eine Frage hätte ich nur noch. Sie bereitet mir wirklich Kopfzerbrechen.«
»Raus damit!«
»Warum - meinen Sie - hat sich dieses Wesen erst jetzt durch seine Taten gezeigt?«
»Hat er das denn?«
»Natürlich, wir…«
»Moment, Kommissar. Ich gehe davon aus, daß es sich in den vergangenen Jahrhunderten ebenfalls nicht still verhalten hat. Nur ist nichts von dem ans Tageslicht getreten. Es fiel keinem auf.«
Goran Nägele blies seinen Atem über den Tisch hinweg. »Das könnte stimmen.«
Der Pfähler hatte bereits nach seinem Mantel gegriffen und ihn vom Haken geholt. Er bestand auch aus Leder, war fast schwarz und mit Fell gefüttert. Die dazugehörige Mütze steckte in der rechten Tasche. Marek setzte sie aber noch nicht auf, sondern behielt sie in der Hand. Erst als die beiden draußen auf der Plattform standen, schützte Marek seinen Kopf.
Der Pfähler wußte, daß ihm ein verdammt
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