0954 - Die Stunde des Pfählers
Wahrheit gesagt hast, schießt aus ihr der Tod. Dann werde ich dir eine Naht in den Körper ziehen. Dabei fange ich bei deinen Beinen an, stanze die Kugeln immer höher, bis ich deinen Schädel erwischt habe. Du wirst von deinem Tod etwas haben.«
Er hatte ziemlich langsam gesprochen, auch relativ laut, sich Zeit gelassen, und Marek waren diese Worte egal. Er hatte sie nur am Rande mitbekommen, denn etwas anderes interessierte ihn mehr und hatte ihn auch abgelenkt.
Es war nicht das Loch im Dach, sondern die unmittelbare Umgebung. Dort bewegte sich das Holz.
Sicherlich nicht durch irgendwelche Windböen, die waren kaum vorhanden, nein, da oben bewegte sich jemand langsam vorwärts, und Marek glaubte nicht daran, daß dieser Bandit vor ihm Verstärkung bekam.
Die Bewegungen hatten andere Gründe, die Marek auch zu kennen glaubte. Er war nicht abgesprungen. Er war wieder da. Er hatte auch die Vollbremsung überstanden, schien sich auf dem Dach wohl zu fühlen und gierte dabei nach Blut.
Um sich hatte Marek keine große Angst, aber der junge Mensch vor ihm, der bereit war zu einem Mord, der tat ihm leid, und deshalb sprach Marek ihn auch an. »Wenn du schießt, tust du dir keinen Gefallen, junger Freund. Hör auf den Rat eines alten Mannes. Lauf, flüchte! Renn um dein Leben! Es befindet sich in Gefahr. Du bist sonst verloren und…«
Der Bandit klopfte locker gegen die MPi. »Was redest du nur für einen Mist, Alter!«
»Es stimmt tatsächlich!«
»Nichts stimmt mehr. Nur eines ist klar. Du hast mich hingehalten, du hast mich belogen. Dafür werde ich dich töten.«
In diesem Augenblick erschien die Fratze des Vampirs. Sie schob sich über den Lochrand hinweg.
Der Mund war weit aufgerissen, die langen Zähne schimmerten, der Blick traf nur einen, den Bewaffneten.
Und der hatte etwas gespürt. Vielleicht auch das leise Knacken in der Stille gehört.
Plötzlich drehte der den Kopf, um in die Höhe zu schauen.
Da stieß sich der Vampirwolf ab!
***
Das Loch war groß genug, um ihn nicht zu behindern. Er sackte wie ein Stein in die Tiefe, und er war so schnell, daß der Soldat nicht mehr reagieren konnte.
Der junge Mann war vor Schreck starr geworden. Er schaute in die Höhe, er wollte noch die Waffe hochreißen, und es verließ zudem ein Laut seinen Mund, der sich wie ein Schrei anhörte, aber zu einem Schuß kam er nicht.
Die Bestie fiel auf ihn wie ein gewaltiger Felsbrocken und riß ihn einfach um.
Marek sah nicht, wie und wohin der Mann fiel, denn die mächtige Gestalt der Bestie verdeckte ihn.
Zwei Beine schauten plötzlich unter dem Körper des Vampirwolfs hervor. Die Hacken trampelten auf dem Boden, dann rutschten sie darüber hinweg, und einen Moment später hörte Marek ein fürchterliches Geräusch.
Zuvor hatte er noch die Bewegung des Monstrums wahrgenommen. Der Vampirwolf hatte mit seiner rechten Hand ausgeholt und die Pranke dann wuchtig nach unten gestoßen.
Blut quoll plötzlich zwischen den beiden Körpern hervor. Es floß, es spritzte weit, und der Vampirwolf wälzte sich zur Seite. Er riß den anderen dabei hoch, der schon tot war. Marek mußte zuschauen, was die Bestie mit seiner Beute tat. Sie trank das Blut des jungen Mannes, das ihr entgegensprudelte. Weit hatte sie das Maul aufgerissen, aber den Kopf so gedreht, daß sie Marek nicht aus den Augen ließ.
Er konnte auch das Pendel erkennen, dessen Band sich der Unhold über den Kopf gestreift hatte, so daß es vor seiner Brust zitternd hing. Die roten Augen im versteinerten Vampirgesicht glühten, als würde sich Zunita noch jetzt darüber freuen, was der andere tat.
Gerade für einen Mann wie den Pfähler mußte es erschreckend sein, zuzuschauen, wie eine Bestie ihr Opfer behandelte. Er hatte sie immer gejagt, diese Blutsauger. Er sah einen der schrecklichsten aus allernächster Nähe und mußte sich leider eingestehen, daß sein erster, blitzschnell entworfener Plan nicht geklappt hatte.
Er hatte seinen Pfahl ziehen und die Bestie pfählen wollen, während sie das Blut trank, doch sie ließ Marek nicht aus den Augen, und der Mann traute sich nicht, den Pfahl hervorzuziehen.
Der Vampirwolf ließ sich Zeit. Er saugte den Lebenssaft aus dem Körper mit der zerstörten Kehle.
Seine Zunge bewegte sich zuckend. Mal schlug sie aus dem Maul, mal zog sie sich zurück. Es war ein langes Wechselspiel, und er genoß es.
Marek schämte sich. Er lag auf dem verdammten Sack und griff nicht ein. Er war nur Zuschauer, einer, der den Namen
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