0954 - Die Stunde des Pfählers
Schulter.
Auf ihre Umgebung achteten beide nicht. Sie schauten auch nicht hoch Zum Dach des Waggons, über dessen Rand sich etwas vorschob, und zwar an ihrer Seite.
Ein fahles und bleiches Gesicht mit weit geöffnetem Maul schaute hinab. Zwei gelbe Augen funkelten darin wie das kalte Licht von Taschenlampen. Der Unheimliche konzentrierte sich auf Achaz, der leicht nach vorn gebeugt auf dem Fleck stand und in den Wagen starrte, gegen den Rücken seines Kumpans. Die Mündung der MPi wies dabei zu Boden.
Genau in diesem Augenblick sprang der Vampirwolf!
***
Der Bandit hatte noch ein leises Schaben gehört. Er konnte damit nichts mehr anfangen, denn plötzlich prallte der schwere, fellbedeckte Körper auf ihn nieder. Achaz gelang nicht mal ein Schrei. Er wurde blitzschnell von den Beinen gerissen und hatte den Eindruck, von einem Gewicht tief in den Schnee gedrückt zu werden. Er hörte es knirschen, als die dünne Eisschicht auf der Oberfläche brach. Den Mund hielt er zum Warnschrei offen, aber der kalte Schnee stopfte ihn. Er gurgelte nicht mal und glaubte, ersticken zu müssen.
Die Bestie lag auf ihm. Mit den Knien drückte sie den Körper in das kalte Grab, denn das wurde der Schnee für Achaz. Sekunden später spürte er einen irrsinnigen, kaum zu beschreibenden Schmerz, denn da hatte die Pranke seinen Hals brutal durchstoßen und ihn tatsächlich mit einem Hieb getötet.
Das Blut schäumte aus der Wunde, doch die Bestie kümmerte sich nicht darum. Es gab noch ein zweites Opfer, das bisher nichts bemerkt hatte. Der Bandit war zu sehr mit sich selbst und mit der Durchsuchung des Waggons beschäftigt. Er war hineingekrochen und hockte vor dem Eingang auf allen vieren, während er zunächst nach seiner Taschenlampe fummelte, um den Wagen zu durchleuchten.
In seinem Rücken hörte er ein Geräusch.
Plötzlich war ihm bewußt, einen Fehler begangen zu haben, den er korrigieren mußte.
Er wollte zuviel auf einmal.
Zuerst die Waffe nehmen, die zunächst noch von seinen Schultern rutschen mußte. Dann wollte er mit ihr im Anschlag herumwirbeln und schauen, was sich da tat.
Plötzlich verlor er den Halt. Etwas hatte sein rechtes Bein umklammert. Der brutale Ruck schleuderte ihn aus der knienden Haltung heraus auf den Bauch. Er schlug brutal mit dem Gesicht auf und hörte, wie mindestens zwei Zähne brachen.
Da befand er sich schon auf dem Weg zurück, und er rutschte dabei über den Boden des Waggons.
Sein Kinn wurde aufgerissen. Blut drang aus der Wunde. Einen Moment später war er draußen und fiel zu Boden. Er konnte nicht mal schreien, als er in den Schnee schlug. Mit Körper und Gesicht durchbrach er die Kruste. Die Kälte erwischte ihn, sie machte ihn starr, aber es war auch die Überraschung und die damit verbundene Angst, die ihn hatte wehrlos werden lassen.
Etwas Schweres hockte auf seinem Rücken. Er hatte nichts gesehen, aber er wußte, daß der alte Mann nicht gelogen hatte.
Hier gab es etwas, das den Tod verbreitete.
Einen anderen Gedanken konnte er nicht mehr fassen, denn die Bestie hatte abermals ihre Pranke nach unten gerammt, und wieder war es der Nacken, den sie erwischt hatte.
Der Bandit schrie noch auf. Niemand hörte ihn. Der Schrei wurde vom Schnee erstickt, und die Bestie brauchte kein zweites Mal zuzuschlagen, denn vor ihr lag ein Toter.
Weit hielt sie ihren Mund offen. Sie trank das aus der Wunde fließende Blut und wandte sich erst ab, als sie zufrieden war. Dann kümmerte sich der Vampirwolf um den anderen Mann, dessen Körper ebenfalls einen Abdruck in der weißen Fläche zeigte, die sich allmählich in einer bestimmten Umgebung rot färbte.
Die Bestie war zufrieden.
Sie knurrte leise.
Schnee klebte an ihrem Fell, als sie sich aus der gebückten Haltung erhob, um den Kopf zu drehen.
Sie suchte die Umgebung ab. Niemand hatte sie bei ihrer Tat beobachtet, das war gut so.
Das Blut der Opfer hatte auf den dicken, wulstigen Lippen Spuren hinterlassen. Durch die sich kreisförmig bewegende Zunge leckte er es ab und stand auf.
Andere warteten. Er wollte hier das große Grab hinterlassen, eine Stätte des Todes.
Vorgenommen hatte sich der Vampirwolf sehr viel, aber er hatte in der letzten Zeit seinen Optimismus verloren, denn ihm war etwas in die Quere gekommen, mit dem er nicht hatte rechnen können.
Eine Gefahr vielleicht?
So genau wußte er es nicht. Jedenfalls war es wie ein Hauch gewesen, der ihn störte. Etwas anderes.
Etwas, das nicht in seine Welt hineinpaßte.
Er
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