0954 - Die Stunde des Pfählers
hinzu.«
»Und vielleicht noch Morgana oder Assunga. Mit Mallmann können wir auch rechnen. Wenn ich das alles zusammenzähle, können wir uns auf eine heiße Nacht gefaßt machen. Da wird sogar der Schnee glühen.«
»Du hast noch einen bei deiner Aufzählung vergessen, John.«
»Wieso und wen?«
»Marek!«
Ich wollte lachen, aber Suko wies nach rechts. Ich brauchte nur der Verlängerung seiner Hand zu folgen, um zu wissen, was er damit gemeint hatte. Aus einem der Wagen in der zweiten Hälfte des Zugs sprangen drei Bewaffnete. Einer allerdings, jemand, der nicht bewaffnet war, hatte den Wagen schon vorher verlassen. Er war in den Schnee gesunken, aus dem er sich nun erhob.
Trotz der Kälte bekam ich einen Schauer. »Das darf doch nicht wahr sein, Suko!«
»Doch. Es ist Marek.«
»Wahnsinn!«
»Da kannst du lange anrufen.«
»Wie nett von Assunga, daß sie uns an diesen Platz geschafft hat. Auch Marek ist hier.«
»Und wenn du genau hinschaust, John, kannst du erkennen, daß der Waggon, aus dem er gekommen ist, ein zerstörtes Dach hat. Da siehst du ein großes Loch.«
Auch diesmal hatte Suko recht. In der Tat war das Dach zerstört. Ein anderer Ein- und Ausstieg, und ich glaubte daran, daß dieses Dach eine Rolle gespielt hatte.
Unser Freund Frantisek sah nicht eben aus, als wäre er der Partner der übrigen drei Männer. Einer stieß ihm die Hand in den Rücken und sorgte dafür, daß Marek nach vorn stolperte und beinahe noch gefallen wäre. Mit mühsamen Bewegungen stampfte er durch den Schnee, bedroht von den Mündungen der beiden Maschinenpistolen, die genau auf seinen Rücken wiesen.
»Das sieht nicht gut aus für ihn«, murmelte Suko. »Frantisek scheint in ihrer Gewalt zu sein. Er hat in diesem verdammten Güterzug gesessen, nur frage ich mich, warum er das getan hat. Kennst du die Antwort, John?«
»Bestimmt nicht.«
»Ich gehe mal davon aus, daß auch Marek diesem Vampirwolf auf der Spur ist, sonst hätte uns Assunga hier nicht abgesetzt. Ohne voneinander gewußt zu haben, waren wir am selben Fall. Eine Fügung des Schicksals, die selten vorkommt.«
»Ob er ihn kennt?«
Suko hob die Schultern. »Ich traue Frantisek alles zu. Der packt das schon.«
»Sieht aber nicht so aus.«
Suko hob die Schultern. »Jedenfalls haben wir ein Problem mehr, denn wir müssen den alten Haudegen raushauen.«
Da sagte er mir nichts Neues. Nur wollte ich zuvor wissen, wohin Marek gebracht wurde.
Da gab es eigentlich nur zwei Alternativen. Zunächst einmal konnten sie ihn in einem der vorderen Waggons einsperren, vielleicht auch in dem »Bahnhof«, der auf der anderen Seite der Strecke stand.
Marek ging vor den Bewaffneten her. Er schritt die Reihe der Waggons mit gesenktem Kopf ab, und der dritte Mann, der keine Waffe in der Hand trug, sprach hin und wieder auf ihn ein. Wie er ihn anredete, und was er sagte, war für uns nicht zu verstehen. Der Typ mit der Mütze, deren Ohrenklappen wie zwei Flügel zur Seite hingen, redete auf Marek ein und erhielt kaum Antworten von ihm.
Die Gruppe erreichte den Beginn des Zugs und damit auch die Lok. Sie wurde von ihnen ebenfalls umrundet. Uns war klar, wohin sich die Männer mit ihrem Gefangenen zurückzogen.
»Also doch die Ruine«, sagte Suko.
Ich stimmte ihm durch ein Nicken zu.
Wir mußten wirklich die Dunkelheit abwarten, um uns dem Ziel zu nähern, denn nicht alle Männer waren verschwunden. Zwei hatte ihr Anführer an der uns zugewandten Seite als Wachposten zurückgelassen. Sie sahen aus, als hätte man sie in den Schnee gestopft. Immer wieder blickten sie in unsere Richtung und auch an den Waggons entlang, wo sich allerdings nichts mehr bewegte.
Der Himmel hatte ein dunkles Schiefergrau bekommen. Die Sonne schlief und hatte dem Mond Platz geschaffen, der als kalter Fleck am Himmel stand. Wir hatten zunehmenden Mond, in wenigen Tagen würde er als Kreis am Himmel leuchten und sein Licht auf den Schnee streuen.
Auch die Sterne zeigten sich in ihrer hellen Pracht. Punkte im Dunkel des Alls, dessen Weite unermeßlich war und von einem menschlichen Gehirn kaum begriffen werden konnte.
»Viel dunkler wird es auch in der Nacht kaum werden. Der Schnee ist zu hell. Wann starten wir?«
Ich schaute Suko an. »In zehn Minuten?«
»Ist okay.«
»Sie werden Marek nichts tun«, sagte ich leise, und davon war ich auch überzeugt. »Wenn sie das gewollt hätten, wäre das schon im Waggon geschehen und…« Ich hatte Suko zwar angesprochen, er hörte jedoch nicht zu,
Weitere Kostenlose Bücher