Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0955 - Blutiger Dschungel

0955 - Blutiger Dschungel

Titel: 0955 - Blutiger Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Krämer
Vom Netzwerk:
hockten dicht beieinander und schlugen auf den Dschungelboden ein. Ab und an hörte Ana ein ängstliches »Geh weg!« oder »Hau ja ab, du…«, als wollen die Jungen sich mit ihren Stimmen selbst ein wenig Mut machen.
    Ana blickte nach oben, doch da war kein einziger Stern zu sehen, der zumindest einen kleinen Lichtstrahl hätte spenden können. Die Bäume waren hier so hoch, ihre Kronen so dicht, dass nicht einmal der Mond eine Chance hatte, den Boden tief unter ihm zu erreichen. Die Dreizehnjährige hätte es tröstlich empfunden, wenn der alte Mond ihr sein Licht geschenkt hätte, doch er blieb unsichtbar.
    In ihrem Kopf kreiselten die Gedanken wild umher.
    Was wird geschehen? Was erwartet uns hier? Einer von uns soll hier sterben. Wer wird es sein? Pedro saß still neben ihr, doch plötzlich hörte sie sein Flüstern.
    »Ana, es ist mir wieder passiert. Ich…«
    Sie legte beruhigend eine Hand auf seine Schulter. Vor Wochen schon hatte ihr Bruder damit begonnen, wieder einzunässen wie ein Kleinkind. Die Belastungen waren ganz einfach zu viel für seine Seele - und die suchte sich einen Weg, um ein wenig Druck abzulassen.
    »Pst. Das macht doch nichts. Wir alle könnten uns vor Angst in die Hosen machen. Kümmer dich nicht darum.« Pedro antwortete nicht. Das hier überschritt die Grenze dessen, was auszuhalten er in der Lage war.
    Mit Macht versuchte Ana sich wach zu halten. Sie durfte auf keinen Fall einschlafen. Auf gar keinen…
    Ana schrak hoch! Sie riss die Augen auf, doch da war nichts als Dunkelheit. War sie eingeschlafen? Ja! Doch für wie lange?
    Sie lauschte, doch da war kein Klopfen mehr, mit dem die Jungen Tiere zu verscheuchen suchten. »Wacht auf - sofort!« Ana griff nach rechts, dorthin wo ihr Bruder Pedro saß, doch ihre Hand griff in die Leere hinein. Sie sprang auf ihre Füße. »Pedro? Pedro, sag etwas! Wo bist du?«
    Sie verfluchte die Finsternis, die sie vollkommen umhüllte. »Los, fasst euch bei den Händen.«
    Einer der Burschen schien wieder ganz bei sich zu sein.
    »Was ist denn los? Wo ist Pedro? Ich kann ihn nicht mehr fühlen.«
    Ana versuchte ihrer Panik Herr zu werden. Sie brachte die Jungen zum Verstummen.
    »Wir müssen ihn suchen. Nehmt euch bei den Händen und folgt mir nach.« Sie griff nach einem der Burschen, ohne genau zu wissen, um wen es sich handelte. Noch nie zuvor hatte sie sich so sehr nach einem Lichtstrahl gesehnt, nach einer Fackel - irgendetwas, das zumindest ein wenig Helligkeit verströmte.
    »Aber du weißt doch nicht, in welche Richtung Pedro verschwunden ist.« Der Einwand des Jungen, der direkt hinter ihr ging, war berechtigt, doch Ana konnte ihn entkräften.
    »Ich bin ganz sicher, dass er tiefer in den Dschungel gegangen ist. Vielleicht nicht einmal freiwillig, doch dort werden wir ihn finden. Dort will man uns sehen - um uns das ganze Grauen zu zeigen. Dort sollen wir für alle Zeiten gebrochen werden. Und einer von uns soll tief im Urwald sein Leben verlieren. Ich werde dafür sorgen, dass es nicht Pedro ist.«
    Im Gänsemarsch führte sie ihren Anhang zwischen den Baumriesen hindurch tiefer und tiefer in das Dickicht hinein. Alle riefen laut Pedros Namen, doch Ana war sicher, dass er sich nicht melden würde oder konnte.
    Und dann sah sie es - es war die Antwort auf ihre Wünsche: Zwei kleine Lichter, die mit jedem Schritt, den die Kinder machten, näher kamen.
    Mensch oder Teufel? Ana war es egal, denn nur mit einer Lichtquelle konnte sie hoffen, ihren kleinen Bruder noch zu finden.
    Beherzt und verzweifelt zugleich ging sie den Spotlights entgegen.
    ***
    Geschor schwebte in der Luft wie ein Wal im Wasser.
    Vollkommen unbeweglich, die Oberfläche grau-braun - wie ein Wal? Ja, wie ein sterbender Wal, der sich bereits aufgegeben hatte.
    Nicole Duval war bereit, das Erreichte hier nun direkt vor Ort einzusetzen. Die Ballwesen hatten auf ihre Licht-Illusion reagiert, als wäre Nicole Maiisaro. Warum also sollte das nicht auch bei Geschor funktionieren? Doch es gab natürlich Punkte, die das Vorhaben, das Wurzelwesen wieder in einen aktiven Zustand zu versetzen, zum Scheitern bringen konnten. Professor Zamorra sprach Nicole darauf an.
    »Niemand weiß, wie lange Geschor das Licht der Wurzeln benötigt, um wieder in seinen ursprünglichen Zustand zu kommen, wenn das überhaupt noch funktioniert und nicht schon zu spät ist. Selbst wenn er auf deinen Trick reagiert - du kannst ihn nicht stundenlang aufrecht erhalten. Wenn ich spüre, dass du die

Weitere Kostenlose Bücher