0956 - Die Todeszone
Energien einige Menschen aufbrachten, um wegen solcher Nichtigkeiten anderen das Leben zur Hölle zu machen.
»Ich erwarte keine E-Mail und habe auch nicht die geringste Lust, mich darum zu kümmern. Haben Sie einen Hut?«
»Ich? Ja, natürlich«, stammelte die Sekretärin überrascht. »Warum?«
»Fein. Dann wissen Sie ja, woran Sie sich diese verdammte E-Mail stecken können. Rufen Sie nie wieder an!«
Mathilde Dupont japste empört. Vermutlich hatte es nie zuvor jemand gewagt, so mit der ungekrönten Königin der Vorzimmer zu sprechen. Zamorra war es egal, er hatte genug Zeit mit diesem Unsinn verschwendet. Sein rechter Zeigefinger schoss Richtung Visofon, um die Verbindung unsanft zu unterbrechen, als Madame Dupont, die offenbar darauf erpicht war, das letzte Wort zu haben, ihren letzten Giftpfeil abschoss. »Na gut, ist ja Ihr Problem, wenn Ihre kleine Freundin in Kolumbien keine Antwort bekommt.«
Zamorras Zeigefinger erstarrte in der Luft, Millimeter vom Visofon entfernt.
»Sagten Sie Kolumbien?«
***
»Es könnten Fälschungen sein«, sagte Nicole skeptisch.
Auf dem Tisch lagen hochauflösende Ausdrucke der Fotos, die ihnen Paula Vásquez geschickt hatte. Es hatte Zamorra einige Mühe gekostet, Madame Dupont doch noch dazu zu bewegen, die E-Mail der kolumbianischen Reporterin an ihn weiterzuleiten.
Die Bilder zeigten eine Militäranlage irgendwo im Dschungel und einen Verhörraum, in dem ein Mann, den seine Uniform als Angehörigen der kolumbianischen Armee auswies, von anderen Soldaten und einem westeuropäisch aussehenden Zivilisten befragt wurde. Der Mann war offenbar verletzt, und er wirkte verwirrt und verängstigt. Doch was Zamorra wirklich elektrisierte, war eine Folge von drei Fotos, die zeigten, wie der verletzte Soldat etwas aus seiner Uniformjacke zog und zum Entsetzen der anderen Männer auf den Tisch legte.
Eine Dämonenhand.
»So etwas kann man in jedem Spielzeugladen kaufen, selbst in Kolumbien«, sagte Nicole.
Zamorras Gefährtin wirkte erschöpft und hatte offenbar nicht die geringste Lust, einen weiteren Kriegsschauplatz zu eröffnen.
»Warum sollte diese Paula Vásquez so etwas tun, Nici?«, fragte Zamorra. »Und warum gerade jetzt? Sie kann kaum wissen, dass wir uns genau in diesem Moment für Kolumbien interessieren.«
»Tun wir das, Chef? Und selbst wenn, vielleicht ist das trotzdem nur ein dummer Zufall. Es gibt genug Spinner, die unsere Aufmerksamkeit erregen wollen.«
»Das wäre ein ziemlich großer Zufall«, erwiderte der Parapsychologe nachdenklich. »Außerdem scheint mir die Frau seriös zu sein.«
Er hatte ein bisschen im Internet recherchiert. Paula Vásquez arbeitete für eine der angesehensten Zeitungen des Landes. Obwohl sie gerade erst Mitte zwanzig war, hatte sie bereits einige Korruptions- und Militärskandale aufgedeckt und die Regierung damit immer wieder in arge Bedrängnis gebracht. Nichts sprach dafür, dass sie eine durchgeknallte Wichtigtuerin war.
Nicole zuckte mit den Achseln. »Vermutlich hast du recht, Chef. Aber Fakt ist, dass wir im Moment weder Zeit noch Kraft haben, uns darum zu kümmern. Wir haben die Hütte voller Freunde, die nicht zurück in ihre Häuser können, weil eine Sippe dämonischer Attentäter den Tod all derer geschworen hat, die uns wichtig sind. Meinst du nicht, dass wir erst mal dafür sorgen sollten, dass sie ihr Leben zurückbekommen, bevor wir ans andere Ende der Welt reisen, um wildfremden Menschen zur Hilfe zu eilen?«
»Im Château sind sie sicher. Ich fürchte, mehr können wir im Moment eh nicht für sie tun.«
»Ich weiß, aber…«
»Und ich bekomme immer mehr das Gefühl, dass sich in Kolumbien etwas zusammenbraut, das wir einfach nicht ignorieren können. Etwas, dessen Auswirkungen möglicherweise weit über ein unbedeutendes Stück Dschungel hinausreichen. Schau dir diesen Typen an.« Zamorra deutete auf ein Foto, das den hageren Zivilisten zeigte. »Laut Paula Vásquez gehörte er vermutlich zur CIA. Warum interessiert sich der mächtige amerikanische Geheimdienst für irgendwelche verschwundenen Indianer und Zuckerbauern irgendwo im Urwald? Da steckt mehr dahinter. Sehr viel mehr.«
Nicole verzog das Gesicht. »Vielleicht. Aber es gefällt mir einfach nicht.«
Sie nippte an dem Kaffee, mit dem sie sich seit Stunden wachzuhalten versuchte. Eine Weile hingen beide schweigend ihren Gedanken nach. Umso heftiger fuhren sie zusammen, als unvermittelt die Tür aufflog. Es war Pascal Lafitte.
»Pascal,
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