0957 - Das Aibon-Gezücht
irgendwo unterwegs hängen.
Er sah blaß aus. Ich tätschelte seine Wangen, flüsterte den Namen meines Patenkindes und kniete neben ihm.
Seine Augen standen offen. Nur war er irgendwie nicht mehr bei der Sache. Er erinnerte sich wahrscheinlich an nichts mehr, aber er fuhr über seine Stirn, und als ich weg von seinem Bett ging, da nahm er schon die Bewegung wahr.
»John…?« Er sprach meinen Namen so aus, als hätte er mich zum erstenmal seit langer Zeit wahrgenommen.
»Ja, ich bin es.«
»Du bist in meinem Zimmer.«
»Wie du siehst.«
Johnny rollte sich auf den Rücken, dann richtete er sich auf. Er wunderte sich darüber, wie naß geschwitzt er war, schaute sich etwas verklärt um, hob dann die Schultern und rutschte noch ein Stück höher.
»Ich weiß auch nicht, John, aber etwas ist nicht richtig mit mir. Ich komme hier nicht mehr zurück in meine Gedanken.«
»Jedenfalls sind die Schlangen aus deinem Zimmer verschwunden«, sagte ich bewußt.
Johnny verzog das Gesicht. »Die Schlangen?« flüsterte er. »Hast du wirklich Schlangen gesagt?«
»Ja.«
»Welche Schlangen denn?« Er hob den Kopf und schaute sich um. »Ich sehe keine Schlangen.«
Etwas Ähnliches hatte ich mir gedacht. Deshalb war ich auch bei diesem Thema geblieben. »Du hast sie nicht gesehen?«
»Nein.«
»Aber sie waren da.«
»Wo denn?« keuchte er. Sein ausgestreckter Finger zuckte in die verschiedenen Richtungen. »Sag nur nicht, daß du hier Schlangen gesehen hast.«
»Ja. Und ich sah dich unter der Decke, Johnny.«
Jetzt war er völlig von der Rolle. Er starrte mich an wie jemand, der ihm etwas Schreckliches gesagt hatte, aber ich hatte den Bann gebrochen.
Johnny stand nicht mehr unter dem Einfluß der Schlangenmagie. Das war ungemein wichtig.
Er stand auf, ließ sich aber wieder fallen und blieb auf der Bettkante hocken. »Das ist doch alles nicht wahr!« flüsterte er. »Aber ich kenne dich, John. Ich weiß genau, daß du mir keinen Bären aufbindest. Warum auch? Die Schlangen gab es.«
»Und die Frau auch«, sagte ich.
»Welche Frau?«
»Kennst du Snake nicht?«
Er schüttelte den Kopf. »Snake? Wer soll das sein? Hast du sie oder ihn schon gesehen?«
»Sie. Eine Schlangenfrau. Jemand, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, mit Schlangen zu spielen.«
»Nein«, sagte Johnny. »Das ist mir entfallen.«
»Woran erinnerst du dich denn überhaupt?«
Er stellte mir eine Gegenfrage. »Was willst du denn wissen, John? Was möchtest du hören?«
»Du weißt, daß du und dein Freund Eric Ganter diesen Tierfängern auf der Spur gewesen seid - oder?«
»Ja, das stimmt.«
»Du erinnerst dich auch daran, daß man euch erwischt hat. Eric schaffte es nicht mehr, aber du konntest fliehen. Du hast deinen Vater geholt, und ihr beide seid noch mal an den Einsatzort zurückgefahren. Schließlich kam die Polizei, auch Suko und ich wurden eingeweiht, denn Eric Ganter war ja verschwunden, bis man ihn tot vor die eigene Haustür legte. Aus seinem Mund schaute eine Schlange. Das weißt du, Johnny. Daran kannst du dich sicherlich erinnern.«
Er hatte den Kopf gesenkt. »Eric ist tot?« flüsterte er.
»Ja.«
Johnny holte Luft und hustete. »Ich weiß es nicht, John. Ich kann oder will mich nicht daran erinnern. Eric ist mein Freund gewesen. Wieso ist er jetzt tot?«
»Die Schlange.«
Johnny hob den Kopf. »Immer wieder die Schlange«, flüsterte er, »aber ich kenne sie nicht.«
»Doch, du kennst sie. Sie war bei euch. Sie ist eine Frau. Sie heißt Snake, und sie hat euch besucht. Dich und deine Mutter. Ihr seid in ihren Bann geraten. Snake sucht Diener. Die Schwestern-oder Bruderschaft der Ophiten soll wieder ins Leben gerufen werden. Egal, mit wem auch, wichtig ist für sie nur, daß es sie bald wieder geben wird, und darin habt ihr auch eine Hauptrolle gespielt. Sie hat euch beeinflußt und zumindest dir ein Stück deines letzten Erinnerungsvermögens genommen, Johnny, denn du hast schon unter dem Einfluß gestanden.«
Er saß da, und er wußte von nichts. Er schaute ins Leere. Er rieb über sein Gesicht. Er bewegte die Augen, ohne etwas zu erkennen, dann hob er die Schultern. »John, du kannst mir vieles erklären. Ich glaube dir auch. Aber ich fühle mich jetzt nicht mehr so, als wäre ich von irgendwelchen Schlangen besessen.«
»Das glaube ich dir gern.«
»Was sollen wir tun?«
»Mit dieser Snake reden.« Er lachte heiser auf. »Mit Snake? Wo ist sie denn? Ich sehe sie nicht. Siehst du sie?«
»Nein, aber wir
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