0957 - Der schwarze See
auch der Versuch, auf Druidenart den Herrn Professor und Mademoiselle zu erreichen, fehlgeschlagen ist?«, fragte der Butler.
Gryf nickte. Um mit dem zeitlosen Sprung von einem Ort zum anderen zu gelangen, musste er sich entweder auf den Ort selbst oder auf eine Zielperson konzentrieren. Dass er weder Zamorra noch Nicole erreichte, konnte nur eins bedeuten: Entweder befanden sie sich nicht mehr auf der Erde, oder es gab etwas, das die Verbindung zu ihnen massiv störte. Und das konnte eigentlich nicht an den Shi-Rin liegen, denn sein eigener Übergang ins Château hatte schließlich problemlos funktioniert. Eine weitere Maschinengewehrsalve zerriss die Stille.
»William, ich brauche die Übersicht, die Pascal über die Ereignisse in Kolumbien zusammengestellt hat.«
Der Butler nickte. »Ich werde das sofort veranlassen.«
»Fein. Aber vorher kümmere ich mich um unser dringendes Problem. Jemand sollte den Radaubrüdern da draußen sagen, dass diese Ruhestörungen extrem rücksichtslos sind.«
»Das wäre sehr begrüßenswert, Sir.« Gryf grinste. »Worauf warten wir dann noch. Es ist Zeit für ein bisschen Action.«
***
Niemand versuchte Nicole aufzuhalten, als sie die menschenleere Krankenstation verließ. Die Korridore der Militärbasis glichen einem eilig evakuierten Kriegsgebiet. Hier und da zeugten zertrümmerte Möbel und Einschusslöcher von den Kämpfen, die hier stattgefunden haben mussten. Aus anderen Teilen der Anlage drangen Schreie und Gewehrfeuer zu ihr.
Doch wer war der Gegner? Wo waren die höllischen Kreaturen, von denen Santos gesprochen hatte?
Sie erreichte einen Flur, dessen Fensterfront dem Dschungel zugewandt war. Die Scheiben aus Sicherheitsglas waren völlig zertrümmert. Ein wütender Wind fegte zwischen an den in den Rahmen hängenden Splittern hindurch und ließ sie schaudern. Von hier aus hatte sie einen guten Überblick über den äußeren Rand der Todeszone. Der Himmel über der Militärbasis hatte sich deutlich verfinstert.
Noch hatte sie keinen der Angreifer gesehen. Doch das sollte sich ändern, als sie um die nächste Ecke bog. Im Flur vor ihr hatten Soldaten aus umgeworfenen Tischen und Stühlen eine improvisierte Barrikade errichtet. Zunächst konnte Nicole nicht erkennen, worauf die Männer, die sich dahinter verschanzt hatten, ihre Waffen richteten. Doch dann riss sie eine weitere Erschütterung fast von den Füßen, und aus dem Nichts materialisierte sich unmittelbar hinter der Barrikade eine furchterregende Gestalt, deren Anblick die Männer entsetzt aufschreien ließ. Sofort begannen sie, aus vollen Rohren zu feuern.
Die Kreatur war weit über zwei Meter groß und sah aus, als wäre ein riesiger Stein unvermittelt zum Leben erwacht. Auf dem klobigen Körper ruhte ein fast dreieckiger Kopf, von dem drei scharfkantige Hörner in die Höhe ragten. Und die dienten offensichtlich nicht nur zur Zierde. Als würde es die Kugeln gar nicht bemerken, senkte das Monstrum seinen Schädel und stürmte wie ein Nashorn auf die Barrikade zu.
Das Splittern von Holz mischte sich mit den Schreien der Verletzten, als die Hörner die Tische durchstießen und sich in die Leiber der Verteidiger bohrten. Hilflos sah Nicole zu, wie die Kreatur zwei Soldaten zerriss, während sich die anderen panisch in Sicherheit brachten. Sie hatte schon viele dämonische Kreaturen gesehen, und diese schien ihr nicht übermäßig mächtig zu sein. Ein plumper Kraftprotz, mit dem sie normalerweise spielend fertig geworden wäre.
Doch ihre einzige Waffe war Santos' Halbautomatik. Es wäre es der reinste Selbstmord, sich dem Monstrum in den Weg zu stellen - es sei denn…
Nicole streckte den rechten Arm aus und rief das Amulett.
Doch ihre Hand blieb leer. Vermutlich wirkte die Grenze zur Todeszone wie eine Dimensionsgrenze, die verhinderte, dass sie Merlins Stern per Gedankenbefehl zu sich holte.
Merde!
Die Kreatur schien zwischen menschlichen Angreifern und leblosen Gegenständen kaum unterscheiden zu können. Brüllend reagierte sie ihre Wut an den zertrümmerten Überresten der Barrikade aus, während die überlebenden Soldaten ihr Heil in der Flucht suchten. Nicole schienen sie dabei gar nicht zu bemerken. Die Dämonenjägerin packte den ersten Uniformierten, der an ihr vorbeirannte, am Kragen und zog ihn um die Ecke in den Flur, aus dem sie gerade gekommen war. Die anderen Soldaten rannten einfach weiter, ohne sich um ihren Kameraden zu kümmern.
Der Mann wollte sich hektisch losreißen, doch
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