0957 - Der schwarze See
tatsächlich war sie nicht halb so fit, wie sie sich gab. Obwohl sie jedem Kampf aus dem Weg gegangen war, hatten die letzten Minuten erheblich an ihren Kräften gezehrt. Und zu allem Überfluss fing auch noch ihre Wunde an zu pochen. Sie konnte nur hoffen, dass sie durch die Strapazen nicht wieder aufging.
»Was ist da draußen los?«, wollte Paula wissen. »Von wem werden wir angegriffen?«
»Ich fürchte, die Bewohner der Todeszone schauen zu einem kleinen Freundschaftsbesuch vorbei und legen dabei den Laden in Schutt und Asche.«
Paula wurde blass, genau wie der Soldat, der sich jedoch größte Mühe gab, sich seine wachsende Panik nicht anmerken zu lassen.
»Und jetzt?«
»Verlassen wir diesen gastlichen Ort. Und unser junger Freund hier wird uns dabei helfen.«
»Kommt überhaupt nicht infrage! Meine Vorgesetzten…«
»… haben im Moment ganz andere Sorgen, glauben Sie mir. Und jetzt öffnen Sie die Zelle. Aber ganz vorsichtig. Ich habe Sie genau im Blick.«
Paula trat einen Schritt zurück, als der junge Soldat ganz langsam einen Schlüsselbund aus der Hosentasche zog und sich dem Gitter näherte. Er ließ vor Schreck fast den Schlüssel fallen, als ein unerwartet heftiges Beben die Basis erschütterte. Die kalten Neonlampen flackerten, und das aus Fertigteilen zusammengesetzte Gebäude knackte und knirschte bedenklich.
»Sie sollten sich beeilen, bevor hier alles zum Teufel geht und wir gleich mit«, zischte Nicole.
Der junge Kolumbianer war leichenblass. Offenbar hatte er endlich kapiert, in welcher Gefahr sie alle schwebten. Hastig schloss er die Zellentür auf und trat zurück. Mit erhobener Waffe kam Paula heraus, achtete jedoch sorgsam darauf, genug Abstand zu halten, um vor einem Überraschungsangriff sicher zu sein.
»Und jetzt bringen Sie uns so unauffällig wie möglich zu einem Jeep«, befahl Nicole. »Und keine Tricks!«
Der Soldat nickte und versuchte ein schüchternes Lächeln. »Keine Sorge, ich werde tun, was Sie sagen - werde in zwei Monaten Vater. Ich heiße übrigens Pedro. Bitte folgen Sie mir.«
***
William und Malteser-Joe begleiteten Gryf auf dem Weg zum Dach. Dies war ein guter Ort, um sich eine Übersicht zu verschaffen, und nicht ganz so exponiert wie die Türme. Eine kleine Treppe führte vom vierten Stock zum Dachausstieg. Der Geruch von Feuer und verbranntem Holz stach in Gryfs Nase, als er die Luke öffnete und sich ins Freie zog.
Der Silbermond-Druide sprang auf die Füße. Doch er warf sich sofort wieder zu Boden, als die ersten Kugeln dicht an seinem Kopf vorbeiheulten.
»Wenn ich mir die Freiheit nehmen dürfte, etwas Vorsicht anzumahnen, Sir«, riet William von der Treppe. »Meines Wissens sind selbst Silbermond-Druiden nicht kugelsicher.«
»Guter Rat, alter Junge. Ich werde es berücksichtigen.«
»Sehr gut, Sir.«
Langsam robbte Gryf auf die Dachkante zu, als er sah, dass der Butler und Malteser-Joe im Begriff waren, ihm zu folgen. »Und bleibt gefälligst unten, es reicht, wenn hier einer den Kugelfang spielt.«
»Kommt gar nicht infrage«, protestierte Gerard Fronton. »Dass du ein paar Zaubertricks drauf hast, heißt nicht, dass du den ganzen Spaß für dich allein haben darfst.«
Entschlossen hievte sich der ehemalige Fremdenlegionär auf das Dach, als eine weitere Salve auf sie abgefeuert wurde. Malteser-Joe schrie überrascht auf, als ihm eine Kugel den Hut vom Kopf riss.
»Oder ich bleibe vielleicht doch hier und sichere den Ausstieg.« Mit verschämtem Blick griff Fronton nach der tarnfarbenen Kopfbedeckung, die er für ihren kleinen Ausflug aufgesetzt hatte, und schob sich etwas weiter die Treppe runter, bis nur noch der Kopf und ein Teil des Oberkörpers aus der Luke herausragten.
»Na prima, warum nicht gleich so«, murmelte Gryf. Vorsichtig schob er sich weiter vorwärts. Weitere Kugeln fegten über ihn hinweg, doch der Schusswinkel war viel zu steil, als dass sie ihm hätten gefährlich werden können. Der wirklich kritische Moment kam, als er die Kante erreicht hatte. Sofort umschwirrten ihn unzählige Geschosse wie ein wütender Hornissenschwarm.
Der Silbermond-Druide widerstand dem Impuls, mit dem Blaster, den William ihm überlassen hatte, zurückzuschießen. Ein Feuergefecht war von hier oben viel zu riskant, und für das, was er vorhatte, brauchte er nur wenige Sekunden.
Von seiner Position aus hatte er einen hervorragenden Blick über den Vorhof, die Wehrmauer mit der Zugbrücke und das dahinter liegende offene Gelände. Die
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