0957 - Der schwarze See
Wachen zu, die ihre Pistolen nach wie vor auf Zamorra gerichtet hielten. Der Kolumbianer zückte ein Funkgerät und bellte auf Spanisch einen knappen Befehl. Sekunden später wurde die Tür aufgestoßen, und zwei Militärsanitäter und eine junge Ärztin schoben eine Liege herein. Anscheinend hatte Jesus Perditos Amoklauf genug medizinisches Personal übrig gelassen.
Die Ärztin schob Zamorra beiseite, kniete sich neben Nicole, untersuchte sie kurz und gab ihr eine Spritze. Dann nickte sie den Sanitätern zu. Die beiden Männer hoben die schwer verletzte Französin vorsichtig auf die Liege.
Fassungslos sah Zamorra zu, wie das medizinische Personal den Raum so schnell wieder verließ, wie es gekommen war. »Sie überlassen wirklich nichts dem Zufall.«
»Hatten Sie ernsthaft damit gerechnet?«
»Nein«, sagte Zamorra. Er musste alle Selbstbeherrschung aufbringen, um sich nicht auf Devaine zu stürzen und wie von Sinnen auf ihn einzuschlagen. »Ich will bei der OP dabei sein. Danach können wir uns über unseren kleinen Ausflug unterhalten.«
»Bedaure, aber Miss Duval wird nicht operiert. Zumindest nicht sofort.«
»Was?« Bevor die Wachen etwas unternehmen konnten, packte Zamorra den Amerikaner am Kragen und schleuderte ihn gegen die Wand. »Sie haben es versprochen!«
Die kolumbianischen Soldaten schrien aufgeregt durcheinander und fuchtelten mit ihren Pistolen herum. Zamorra warf sich herum, sodass sich Devaine mitten in der Schusslinie befand. »Wenn Ihre Männer jetzt schießen, müssen sie sich einen neuen Boss suchen.«
»Glauben Sie nicht, dass da nicht genug Kandidaten in der Warteschleife stünden. In unserem Geschäft ist jeder ersetzbar.«
»Nicole nicht!«
Devaine nickte. »Und deshalb sollten Sie alles daran setzen, dass sie den Tag übersteht. In diesem Moment laufen alle erforderlichen Maßnahmen, um Miss Duval zu stabilisieren. Allerdings werden sie sofort eingestellt, falls Sie sich dazu entschließen sollten, doch nicht mit uns zu kooperieren.«
»Und wann kommt sie in den OP?«
»Sobald wir unsere Mission erfolgreich abgeschlossen haben. Egal, ob wir persönlich zurückkehren oder nicht.«
Fassungslos starrte der Dämonenjäger den Amerikaner an. »Niemand weiß, was uns da draußen erwartet. Was ist, wenn wir scheitern?«
»Dann haben wir wohl alle Pech gehabt. Meine Leute haben den strikten Befehl, alle medizinischen Maßnahmen zu beenden, falls wir uns nicht innerhalb von 48 Stunden zurückmelden oder es eindeutige Hinweise darauf gibt, dass die Bombe gezündet wurde. Das sollte für Sie ausreichend Motivation sein, mich nach besten Kräften zu unterstützen.«
Zamorra schloss seine Hände um Devaines Hals und zog das Gesicht des Amerikaners ganz dicht zu sich heran. »Eins schwöre ich Ihnen, Dick: Wenn das hier vorbei ist, werden wir beide ein sehr ausführliches Schwätzchen halten.«
»Ich kann's kaum abwarten«, keuchte der CIA-Mann. Sein Gesicht hatte eine ungesunde blaue Farbe angenommen.
Angewidert stieß der Parapsychologe den Amerikaner von sich. Devaine knallte hart gegen die Wand, rappelte sich wieder auf und rückte die Krawatte zurecht. Mit einer knappen Geste gebot er den Soldaten Einhalt, die sich auf Zamorra stürzen wollten.
»Schon gut, Jungs. Ist nur eine kleine Kabbelei unter großen Jungs. Hat nichts zu bedeuten.«
***
Château Montagne, Frankreich
Das Dorf brannte. Fassungslos pressten sich die Bewohner des winzigen Örtchens am Fuße von Château Montagne gegen die Fensterscheiben und starrten auf die lodernden Flammen. Der Geruch von Rauch und brennendem Holz war selbst auf diese Entfernung noch deutlich wahrzunehmen.
»Sie brennen alles nieder«, stöhnte Nadine Lafitte. »Alles was wir haben, sie brennen es einfach nieder.«
»Das Wichtigste, was wir haben, ist hier drin. Oder zumindest in Sicherheit«, sagte ihr Mann Pascal.
»Du hast ja recht, aber…«, Nadine wollte weitersprechen, doch dann brach sie tränenerstickt mitten im Satz ab. Pascal presste seine Frau fest an sich. Den anderen Arm hatte er um ihren Sohn Joaquin gelegt. Es beruhigte ihn, dass wenigstens Ivonne diesen schrecklichen Moment nicht miterleben musste. Ihre Tochter machte mit anderen Teenagern aus dem Dorf Urlaub in Deutschland.
Das komplette Dorf hatte sich im Château einquartiert, nachdem zwei Gestaltwandler vom Volke der Shi-Rin in Mostaches Kneipe fast ein Massaker angerichtet hätten. Professor Zamorra und Nicole Duval hatten die schwarzblütigen Attentäter
Weitere Kostenlose Bücher