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0957 - Der schwarze See

0957 - Der schwarze See

Titel: 0957 - Der schwarze See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Balzer
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Gryf kerzengerade auf.
    »Sir?«
    »Ich glaube, ich weiß jetzt, was diese Bastarde vorhaben. Vor meinem kleinen Ausflug aufs Dach waren die MP- und Granatwerfer-Angriffe nicht primär auf Menschen gerichtet, oder?«
    »In der Tat, Sir. Obwohl wir von Glück sagen können, dass niemand zu Schaden kam, der sich in der Nähe der Fenster aufgehalten hat.«
    »Gab es sonst irgendein Muster bei den Attacken?«
    Der Butler dachte einen Moment nach, dann schüttelte er entschieden den Kopf. »Keins, das mir aufgefallen wäre. Die Wahl der Ziele erscheint mir recht zufällig. Die getroffenen Gebäudeteile sind zum Teil nicht einmal bewohnt. Da gibt es nichts außer…«
    Der Schotte wurde blass.
    »Genau!«, sagte der Silbermond-Druide mit einem grimmigen Lächeln. »Ich glaube, es wird Zeit für mein Date mit unseren Tentakelfreunden. Als Zeichen unseres guten Willens sollte ich vielleicht ein Geschenk mitnehmen. Sie haben nicht zufälligerweise ein Stückchen Kreide zur Hand?«
    ***
    Sie mussten nicht lange fahren. Ihr Ziel war die runde Holzkonstruktion, die Nicole am Abend zuvor vom Fenster aus gesehen hatte. Die Arena , hatte Álvarez den Bau genannt. Und jetzt wusste Nicole auch, an was sie das eigentümliche Gebilde erinnert hatte. Es sah tatsächlich aus wie ein aus groben Brettern zusammengeschustertes Mini-Kolosseum. Sollte der Zuckerbaron hier tatsächlich regelmäßig Gefangene auf Leben und Tod kämpfen lassen?
    Die Arena war größer, als sie aus der Ferne gewirkt hatte. Die Männer zerrten die Gefangenen von der Ladefläche und trieben sie zu einem Seiteneingang. Sie stiegen eine Holztreppe hoch und fanden sich mitten im Zuschauerraum wieder. Eine ekelhafte Mischung aus Schweiß, Alkohol und Testosteron schlug ihnen entgegen. Paula keuchte entsetzt auf, als sie die Menschenmasse sah, die sich hier versammelt hatte, um sich an ihrem Ende zu ergötzen.
    Der grob gezimmerte Bau erinnerte auch von innen frappierend an ein antikes Theater. In der Mitte befand sich die eigentliche Arena. Die kreisrunde Fläche wurde von einem hohen Holzzaun begrenzt, auf dem wiederum ein nach innen gewölbtes Drahtgitter ruhte, das einen großen Teil des Kampfplatzes bedeckte und eine Flucht der Kämpfenden völlig unmöglich machte.
    Der Kampfplatz war umgeben von aufsteigenden Sitzreihen, die mindestens 100 Schaulustigen Platz bot. Kaum ein Platz war unbesetzt, und der Blutdurst stand den fast ausschließlich männlichen Zuschauern deutlich ins Gesicht geschrieben.
    Dann entdeckte Nicole Antonio Álvarez. Wie ein römischer Kaiser hockte der Zuckerbaron umgeben von seinen Leibwächtern in einer Art Loge und hielt Hof. Direkt vor seinem thronartigen Sessel gab es im Gitterkäfig eine Luke, groß genug, um Gefangene geradewegs in die Arena zu befördern. Auf der gegenüberlegenden Seite befand sich im Holzzaun ein großes, massives Fallgatter.
    Ein heftiger Stoß in den Rücken trieb Nicole vorwärts.
    »Ah, meine Damen, es ist mir eine große Freude, Sie zu sehen.«
    »Ganz unsererseits«, giftete Nicole.
    »Oh, das glaube ich kaum, Señorita Duval, das glaube ich kaum«, erwiderte der Zuckerbaron vergnügt.
    »Was ist das hier, Álvarez? Haben Sie zu oft ›Gladiator‹ gesehen?«
    »Ich kann meine Begeisterung für das alte Rom tatsächlich nicht verhehlen, Señorita Duval. Aber ›Spartacus‹ wäre vielleicht der bessere Vergleich.«
    »Ach ja? Der hat den Sklavenhaltern doch ganz schön in den Hintern getreten.«
    »Ganz genau. Und was hat ihm das gebracht? Einen furchtbaren Tod am Kreuz. Danach hat es im Römischen Reich nie wieder einen vergleichbaren Aufstand gegeben.« Versonnen strich der alte Mann über seinen weißen Ziegenbart. »Von Zeit zu Zeit veranstalte auch ich hier ein paar pädagogische Unterweisungen. Wenn zum Beispiel ein Gewerkschafter allzu penetrant auf einer Lohnerhöhung für meine Arbeiter besteht, kann es sein, dass er sich eines Tages mit einem Jaguar hier in der Arena wiederfindet. Bestrafe einen, erziehe hundert - ein sehr ökonomisches Prinzip. Aber so gern ich auch mit Ihnen plaudere, Señorita Duval, ich fürchte, jetzt bin ich meinen Leuten eine gute Show schuldig.«
    Der alte Mann stand auf. Überwältigender Jubel brandete auf, als er seinen weißen Hut vom Kopf riss und ihn schwenkte. Die Geste war Gruß und Startsignal zugleich. Unten in der Arena wurde das Gatter hochgezogen und atemlose Stille legte sich über die Zuschauer, als vier Männer den Käfigwagen hereinschoben. Begleitet wurden

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